Sebastian Kurz versucht eine Übergangsregierung aus Ministern seiner ÖVP und überparteilich akzeptierten Experten zu bilden. Sie soll bis zur Neuwahl im Amt sein Foto: dpa

Österreich steckt in einer ausgewachsenen Regierungskrise. Regierungschef Sebastian Kurz versucht vor allem, sich in eine günstige Ausgangsposition für die Neuwahl zu bringen, kommentiert Rainer Pörtner.

Stuttgart - Das politische Beben, das in Österreich durch die Veröffentlichung der „Ibiza-Tapes“ ausgelöst wurde, hält an. Nach dem unvermeidlichen Rücktritt des FPÖ-Parteichefs Christian Strache hat der Bundeskanzler für die Entlassung des FPÖ-Scharfmachers in seinem Kabinett, Innenminister Herbert Kickl, gesorgt. Sebastian Kurz, der den Rechtspopulisten eben noch ganz viel Entfaltungsraum ließ, greift plötzlich durch. Der ÖVP-Spitzenmann versucht so viel Abstand wie möglich zur FPÖ herzustellen, die nun auch ihm zu schmuddelig geworden ist. Er müht sich, eine gute Ausgangsposition für die Neuwahl im Herbst zu gewinnen – und das am liebsten aus der Position des Regierungschefs heraus.

Staatsräson oder Parteiinteressen – was hat Vorrang?

Kein Wunder, dass einige Kräfte der Opposition dieses Spiel durchkreuzen und Kurz per Misstrauensvotum aus dem Amt hebeln wollen. Bei Erfolg wäre bis zum Wahltag wohl eine Expertenregierung am Werk, die nur sehr eingeschränkt agieren könnte. Einen wichtigen Unterstützer für seine Pläne hat Kurz in Bundespräsident Alexander Van der Bellen gefunden. Das Staatsoberhaupt, das aus der grünen Partei kommt, arbeitet mit an einer Übergangsregierung unter Führung von Kurz. Zumindest Van der Bellen darf man abnehmen, dass er in dieser heiklen Lage die Staatsräson über Parteiinteressen stellt.