Lega-Chef Matteo Salvini will ganz nach oben. Doch der Weg dahin ist steiniger als gedacht. Foto: AFP

Lega-Chef Matteo Salvini versucht die Regierungskrise in Italien für eine Machtdemonstration zu nutzen. Doch ob es so schnell zu Neuwahlen kommt, wie der Rechtspopulist sich das wünscht, steht in den Sternen.

Rom - Ganz so einfach, wie Matteo Salvini sich den Griff nach der Macht in Italien vorgestellt hat, ist es dann doch nicht. Nicht nur innerhalb der Abgeordneten, auch unter den Bürgern ist die Stimmung gespalten. „Ich glaube nicht, dass wir sehr bald neu wählen werden“, sagt zum Beispiel Lorenzo Posocco aus Rom. Noch-Innenminister Salvini habe die Regierung so platzen lassen, wie er auch die letzten Monate regiert habe: autoritär, findet der 37-Jährige. „Alleine sein Satz ‚Ich bitte die Italiener um volle Macht‘ ist ein Beispiel dafür. Aber das Italien von heute ist nicht das Italien der 1920er Jahre. Die Fünf-Sterne-Bewegung und der Partito Democratico werden Salvini kein leichtes Spiel bereiten.“

Wer als Gewinner aus der Regierungskrise in Rom hervorgehen wird, ist noch lange nicht klar. Momentan ist es vor allem ein Spiel mit der Zeit. Der Termin einer möglichen Neuwahl richtet sich nach dem Zeitpunkt, an dem Regierung aus der rechten Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung offiziell zu Ende geht. Am Montag sollte bereits entschieden werden, wann sich Premierminister Conte in den Parlamentskammern einer Misstrauensabstimmung stellen wird. Doch die Fraktionsvorsitzenden im Senat fanden keine Lösung, weshalb die 321 Senatoren am Dienstag zusammengerufen wurden, um im Plenum über den Tag X abzustimmen.

Das Zepter hält der Staatspräsident in der Hand – nicht Salvini

Je später Premier Conte seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella einreicht, desto weiter nach hinten würde ein Termin für mögliche Neuwahlen rücken. Mattarella dürfte zunächst sondieren lassen, ob sich im jetzigen Parlament alternative Mehrheiten finden. Erst wenn das nicht der Fall ist, würde er Senat und Abgeordnetenkammer auflösen. Aus organisatorischen Gründen könnte dann frühestens 60 Tage später gewählt werden.

Um wieder etwas Tempo in die Krise hineinzubringen, drohte der Noch-Innenminister Salvini am späten Montagabend damit, alle sieben Minister seiner Lega zurücktreten zu lassen. Aber auch in diesem Fall würde sich an dem Zeitplan zunächst nichts ändern. Denn ein solcher Schritt hätte auch keine sofortige Wirkung. Erst mit einem Dekret des Staatspräsidenten sind die Minister aus ihrem Amt offiziell entlassen.

Salvini wird nicht müde zu betonen, dass der einzige Weg aus der von ihm angezettelten Krise Neuwahlen seien. Für den Fall der Fälle scheint sich bereits das einstige Mitte-Rechts-Bündnis aus Lega, Forza Italia und Fratelli d’Italia neu zu bilden. Am Dienstag soll es zu einem Treffen zwischen Salvini und seinem einstigen Verbündeten Ex-Premier Silvio Berlusconi gekommen sein. Nach den jetzigen Umfragewerten wäre ein solches Bündnis nach Neuwahlen sehr wahrscheinlich.

Aber auch an anderer Front scheinen sich die Kräfte zu vereinen. Schlösse sich die Fünf-Sterne-Bewegung mit dem Partito Democratico und einigen kleineren Parteien zusammen, wäre diesem ungleichen Bündnis sowohl im Senat als auch in der Abgeordnetenkammer die Mehrheit ohne Neuwahlen gegeben.

Auch andere Bündnisse sind denkbar – sogar ohne Wahlen

Vor allem einer ist an vorderster Front unterwegs, um schnelle Neuwahlen zu verhindern: Ex-Premier Matteo Renzi. Er favorisierte in den letzten Tagen ein parteiübergreifendes Bündnis, eine Art Anti-Salvini-Allianz, die in einer Übergangsregierung einen Haushalt verabschiedet und dann das Land zur Wahl führt. Doch auch innerhalb des Partito Democartico ist man sich nicht einig, wie mit der von Salvini angezettelten Krise am besten umzugehen ist. Nicola Zingaretti, der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, warnt davor, dass ein Bündnis mit der eigentlich verhassten Fünf-Sterne-Bewegung erst recht Salvini weiter in die Hände spielen könnte.

Renzi dürfte aber auch wegen etwas Anderem im Hinterkopf Salvinis herumspuken. Der Sozialdemokrat hatte – ähnlich wie Salvini nun – Ende 2016 darauf gesetzt, aus einem Umfragehoch politisches Kapital schlagen zu können. Nach einem verlorenen Verfassungsreferendum musste der Florentiner jedoch vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten.

Auch die Experten aus den führenden Umfrageinstituten sind unsicher, was das Wahlverhalten der Italiener bei einer möglichen Neuwahl angeht. Für Antonio Noto ist es sowohl denkbar, dass Salvini es schafft, die Umfragewerte in Wählerstimmen umzuwandeln, allerdings könnte auch passieren, dass er genau wegen diesem Machtstreben von den Italienern abgestraft wird. „Achtung“, warnt auch Nicola Piepoli, „in 30 Jahren Arbeit habe ich die Zustimmung der Wähler noch nie so rapide ansteigen und absinken sehen.“ Jeder Zug der kommenden Tage könnte also entscheidend sein. In die eine oder in die andere Richtung.