Lega-Chef Matteo Salvini versucht in der Regierungskrise den Durchblick zu behalten. So einfach, wie er sich das vorstellte, ist es wohl doch nicht. Foto: dpa

Lega-Chef Matteo Salvini versucht die Regierungskrise in Italien immer weiter für eine Machtdemonstration zu nutzen. Doch ob es wirklich so schnell zu Neuwahlen kommt, wie der Rechtspopulist sich das wünscht, steht derzeit noch in den Sternen. Denn ganz so einfach ist es eben nicht.

Rom - Ganz so einfach, wie Matteo Salvini sich den Griff nach der Macht in Italien vorgestellt hat, ist es dann doch nicht. Am Dienstagabend musste er eine erste Schlappe hinnehmen. Der eilig in den Sommerferien zusammengerufene Senat stimmte für eine erneute Zusammenkunft der Parlamentskammer am 20. August und nicht für den von Salvini favorisierten Termin an diesem Mittwoch. Die Senatoren der Fünf-Sterne-Bewegung und des Partito Democratico stimmten geschlossen für den Termin am kommenden Dienstag und konnten so eine Mehrheit gegen die Lega herstellen.

Diese Abstimmung ist ein erster Erfolg eines sich womöglich neuformierenden Bündnisses und könnte ein Schlüsselmoment im weiteren Verlauf der Regierungskrise sein. Denn nun steht die Frage im Raum: Schaffen es die beiden Parteien, sich zu einem Regierungsbündnis zusammenzuschließen, um Neuwahlen – und damit erst einmal auch einen Ministerpräsidenten Salvini – zu verhindern?

Matteo Renzi taucht wieder auf – und fordert ein Anti-Salvini-Bündnis

Salvini wird derweil nicht müde zu betonen, dass der einzige Weg aus der von ihm angezettelten Krise Neuwahlen seien. Für den Fall der Fälle scheint sich bereits das einstige Mitte-Rechts-Bündnis aus Lega, Forza Italia und Fratelli d’Italia neu zu bilden. Dessen Sieg bei Neuwahlen wäre nach den aktuellen Umfragewerten sehr wahrscheinlich. Schlösse sich aber die Fünf-Sterne-Bewegung mit dem Pratito Democratico und einigen kleineren Parteien zusammen, wäre diesem Bündnis sowohl im Senat als auch in der Abgeordnetenkammer bereits jetzt die Mehrheit gewiss.

Vor allem einer ist an vorderster Front unterwegs, um schnelle Neuwahlen zu verhindern: Ex-Premier Matteo Renzi. In einer Pressekonferenz schlug der PD-Senator am Dienstag offiziell die Bildung einer solchen Anti-Salvini-Allianz vor. Diese solle als Übergangsregierung zumindest einen Haushalt verabschieden. Damit wolle er vor allem verhindern, dass die Mehrwertsteuer in Italien von 22 auf 25 Prozent steigt. „Denn sonst wäre uns die Rezession sicher“, so Renzi. Die Erhöhung droht als Folge einer Garantieklausel gegenüber der EU-Kommission, die die – wohlbemerkt linke - Vorgängerregierung als Gegenleistung für gewährte Flexibilität bei der Beurteilung des italienischen Defizits Brüssel gegenüber abgegeben hat. Kann Italien diese Klausel nicht mehr gegenfinanzieren, erhöht sich die Steuer automatisch um drei Prozentpunkte.

Wie es weitergeht in Rom, steht derzeit noch in den Sternen

Um ein Bündnis mit den einst so verhassten Sternen auf die Beine zu stellen, wäre Renzi sogar bereit, für deren angestrebte Reduzierung der Parlamentssitze zu stimmen. Eine Reform, die eigentlich kurz vor dem Abschluss steht. Bislang hatte der PD dagegen gestimmt. Doch innerhalb der sozialdemokratischen Partei ist man sich nicht einig, wie mit der von Salvini angezettelten Krise am besten umzugehen ist. Der Parteivorsitzende Nicola Zingaretti warnt davor, dass ein Bündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung erst recht Salvini weiter in die Hände spielen könnte.

Wer also als Gewinner aus der Regierungskrise in Rom hervorgehen wird, ist noch lange nicht klar. Um wieder etwas Tempo in die Krise hineinzubringen, hatte Salvini bereits am späten Montagabend damit gedroht, alle sieben Minister seiner Lega zurücktreten zu lassen. Aber auch in diesem Fall würde sich an dem Zeitplan zunächst nichts ändern. Denn ein solcher Schritt hat keine sofortige Wirkung. Erst mit einem Dekret des Staatspräsidenten sind die Minister aus ihrem Amt offiziell entlassen.

Unsicherheiten auch unter Politik-Experten

Nicht nur innerhalb der Abgeordneten, auch unter den Bürgern ist die Stimmung gespalten. „Ich glaube nicht, dass wir sehr bald neu wählen werden“, sagt zum Beispiel Lorenzo Posocco aus Rom. Salvini habe die Regierung platzen lassen, wie er auch die letzten Monate regiert habe: autoritär, findet der 37-Jährige. „Alleine sein Satz ‚Ich bitte die Italiener um volle Macht‘ ist ein Beispiel dafür. Aber das Italien von heute ist nicht das Italien der 1920er Jahre. Die Fünf-Sterne-Bewegung und der Partito Democratico werden Salvini kein leichtes Spiel bereiten.“

Auch die Experten aus den führenden Umfrageinstituten sind unsicher, was das Wahlverhalten der Italiener bei einer möglichen Neuwahl angeht. Für Antonio Noto ist es denkbar, dass Salvini es schafft, die Umfragewerte in Wählerstimmen umzuwandeln, allerdings könnte auch passieren, dass er genau wegen diesem Machtstreben von den Italienern abgestraft wird. „Achtung“, warnt auch Nicola Piepoli, „in 30 Jahren Arbeit habe ich die Zustimmung der Wähler noch nie so rapide ansteigen und absinken sehen.“