An diesem Dienstag wird in Frankreich eine neue Regierung gebildet. Foto: dpa

Nachdem der Wirtschafts- und der Bildungsminister die Wirtschaftspolitik der Regierung Valls kritisiert hatten, erklärt der Premier seinen Rücktritt. Heute soll es ein neues Kabinett geben.

Nachdem der Wirtschafts- und der Bildungsminister die Wirtschaftspolitik der Regierung Valls kritisiert hatten, erklärt der Premier seinen Rücktritt. Heute soll es ein neues Kabinett geben.

Paris - Wer rebelliert, der fliegt: Nach dieser Devise hat Frankreichs Premier Manuel Valls am Montag den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Als Reaktion auf die provokante Kritik von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und Bildungsminister Benoît Hamon an der Sparpolitik und dem unternehmerfreundlichen Kurs der sozialistischen Regierung will er heute ein neues Kabinett vorstellen, dem die beiden Parteilinken wohl nicht mehr angehören werden.

Valls selbst bleibt an der Regierungsspitze. Der Premier betont, es habe sich bei der Entscheidung um einen „absoluten Konsens“ zwischen ihm und Präsident François Hollande gehandelt. Kommentatoren bezeichnen die Regierung trotzdem als „wankendes Schiff“, dessen Kapitän die Meuterer an Bord nicht in den Griff bekomme. Die Umbildung sei Hollandes letzte Chance, seine Präsidentschaft noch zu retten, schreibt die Zeitung „Le Monde“. Nur fünf Monate war das Valls-Kabinett im Amt, das als Lektion aus der bitteren Niederlage der Sozialisten bei den Kommunalwahlen im März neu gebildet worden war.

Montebourg war dabei vom beigeordneten „Minister für produktiven Wiederaufbau“ zum Wirtschaftsminister aufgestiegen, um die Parteilinke einzubinden und ihn zugleich zu disziplinieren. Doch Montebourg widersprach weiter. „Wir lassen die Korken knallen“, scherzte der 51-Jährige zweideutig am Wochenende an der Seite seines Kollegen Hamon, als er beim „Rosenfest“ in seinem Wahlkreis Frangy-en-Bresse den „Spezial-Sanierungs-Jahrgang“ eines Burgunder-Weines präsentierte. Nach dem Geschmack von Hollande und Valls schossen seine rhetorischen Korken diesmal allerdings endgültig übers Ziel hinaus.

„Die zwanghafte Defizit-Reduzierung ist ein ökonomischer Wahnwitz, denn sie verstärkt die Arbeitslosigkeit; eine finanzielle Absurdität, denn sie macht die Sanierung des Haushalts unmöglich; und eine schädliche Politik, denn sie treibt die Europäer in die Arme extremistischer Parteien“, hatte Montebourg gezürnt. Neben nationalen Steuersenkungen und mehr Investitionen forderte er auf europäischer Ebene eine stärkere Rolle der Europäischen Zentralbank, um das Risiko einer Deflation abzuwenden, eine „alternative Führung“ von Paris gegenüber Berlin und einen organisierten Widerstand gegen die deutsche Dominanz.

Deutschland sei „gefangen in der Falle der Austeritätspolitik, die es ganz Europa aufzwingt. Wenn ich sage Deutschland, spreche ich von den deutschen Konservativen, die Angela Merkel unterstützen. Frankreich ist nicht dazu berufen, sich an die ideologischen Axiome der deutschen Konservativen anzupassen. Ich kann Sigmar Gabriel, meinem sozialistischen Kollegen im Wirtschaftsministerium, der in die gleiche Richtung drängt wie wir, nur danken“, so Montebourg.

Die Kritik an einer „absurden Sparpolitik“, die die Demokratie in Europa in Gefahr bringe, wiederholte er bei einer Pressekonferenz. Seine Verantwortung sei es, alternative Möglichkeiten zu suchen und aufzuzeigen – wenn seine Überzeugungen aber nicht mit der Linie der Regierung übereinstimmten, müsse er diese verlassen.

Bildungsminister Hamon hatte ebenfalls einen Wechsel in der Wirtschaftspolitik, Steuersenkungen und einen langsameren Rhythmus der Haushaltssanierung gefordert, ohne darin einen Widerspruch mit der offiziellen Linie Frankreichs zu sehen: „Wir wollen der Regierung Stärke verleihen, damit die Linke an der Macht Erfolg hat.“ Bereits Valls’ Vorgänger Jean-Marc Ayrault hatte sich mit Kritikern im eigenen Lager herumschlagen müssen. Am Montag empfing Valls alle Kabinettsmitglieder. Botschaft: Wer nicht hinter mir steht, riskiert den Job. Neben Montebourg und Hamon gehört dazu die linke Justizministerin Christiane Taubira. Kulturministerin Aurélie Filippetti, die ihre Karriere bei den Grünen begann, kündigte von sich aus an, nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Seitdem Hollande zu Jahresbeginn einen „sozialdemokratischen“ Kurs angekündigt hatte, um die Wirtschaftskrise zu beenden, stehen die Sozialisten vor einer Zerreißprobe. Der linke Flügel kämpft gegen die investitionsfördernde Verringerung der Abgabenlast für Unternehmen. Zudem wehren sich viele gegen die Einsparung von 50 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren, um die hohe Staatsverschuldung zu verringern und das Defizit 2015 auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken – was wohl ohnehin nicht erreicht wird.