Minister Lucha und Ministerpräsident Kretschmann Foto: dpa/Marijan Murat

Die Landesregierung rechtfertigt den „holprigen“ Start ihrer jüngsten Coronaverordnung: Ministerpräsident Kretschmann erklärt Korrekturen damit, auf Proteste eingegangen zu sein.

Stuttgart - Auf einer mehr als einstündigen Pressekonferenz der Landesregierung am Dienstag hat sich Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) in zeitlichem Abstand dreimal für die nachträglichen Korrekturen bei der jüngsten Coronaverordnung entschuldigt. Man habe im Laufe des Verfahrens in der Ressortabstimmung noch „umgesteuert“, das habe zu „Missverständnissen“ und „Kommunikationsmissverständnissen“ geführt. „Dafür kann ich mich nur entschuldigen, mea culpa“, so Lucha. Den Hauptvortrag über das „holprige Verfahren“, wie es Winfried Kretschmann selbst nannte, hielt der Ministerpräsident aber selbst. Kretschmann holte weit aus und schilderte erneut den in der vergangenen Woche durch die Vertagung einer Ministerpräsidentenkonferenz entstandenen Zeitdruck auch für die Fassung der neuen Coronaverordnung des Landes.

Ärger über den Koalitionspartner CDU

Dass schon am Samstag Informationen über geplante Änderungen in der Öffentlichkeit „herumgeisterten“, sei nicht gut gewesen und werde Gegenstand von Gesprächen mit dem Koalitionspartner CDU sein, so Kretschmann. CDU-Landespolitiker wie Winfried Mack, Nicole Razavi, Marion Gentges und andere hatten bereits am Samstag in sozialen Medien Kritik an der alten Fassung der 2-G-plus-Regeln geübt beziehungsweise Änderungen angekündigt. „Das ist jetzt mal richtig schief gelaufen, aber es läuft nicht jede Woche schief“, nahm Kretschmann seinen Sozialminister in Schutz, nach dessen Verantwortung er von Pressevertretern gefragt worden war. Er bedaure die Verwirrung, die da entstanden sei, so Kretschmann. „Da ist uns was verrutscht, das tut mir leid.“ Auf die Frage, ob er bei der Aufweichung von 2 G plus dem Lobbydruck von der Wirtschaft und der CDU nachgegeben habe, sagte Kretschmann, dass die Lockerung „infektiologisch vertretbar“ sei. Es sei zwar immer noch so, dass zehn Prozent der Geimpften und Genesenen andere anstecken könnten, man müsse aber eine Balance der Entscheidungen finden.

Proteste per SMS und Telefon

„Mich erreichten Proteste von Menschen, die in eine schwierige wirtschaftliche Lage mit der strengen 2-G-Plus-Regel geraten wären.“ Diese Proteste seien legitim. Die Einwände seien auch von Abgeordneten per Telefon oder SMS bei ihm eingetroffen. „Wir müssen die Bevölkerung bei Maßnahmen mitnehmen. Wir können nicht mit maximaler Härte vorgehen. Ratschläge der Virologen lassen sich nicht eins zu eins umsetzen“, so Kretschmann. Dies sei kein autoritärer Staat, sondern eine freiheitliche Republik.

Geisterspiele am Samstag waren wichtig

Auch andere Aspekte spielten bei der Kehrtwende offenbar eine Rolle. So erwähnte Kretschmann die Tatsache, dass Bayern 2 G plus zwar angekündigt habe, aber gar nicht anwende. Es habe bei ihm auch die Überlegung gegeben, so der Ministerpräsident, die Verordnung statt Samstag erst Montag in ihrer neuen Fassung in Kraft treten zu lassen. Dann hätte aber das Verbot von Publikum bei Fußballspielen nicht bereits am Samstag wirken können. Das habe er verhindern wollen. In der Sache selbst, der Ausweitung der Ausnahmen von 2 G plus, habe er im Übrigen von keiner Seite Kritik gehört.

Ein Brief mit Wünschen nach Berlin

Sein Image als Mitglied im „Team Vorsicht“ bei der Coronabekämpfung hat Kretschmann auf dieser Pressekonferenz aber nicht aus der Welt geräumt. Für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag – dann unter Kanzler Olaf Scholz – hat Kretschmann nach eigenem Bekunden wie von Scholz verlangt Wünsche per Brief nach Berlin geschickt: „Wir Länder brauchen wieder den vollen Instrumentenkasten. In der jetzigen Lage können wir keine Gaststätten schließen und keine Ausgangssperren machen.“ Dies habe er zur Zeit nicht vor, man dürfe bei einer schlimmeren Entwicklung der Pandemie aber nichts ausschließen. In diesen Tagen habe das Infektionsgeschehen seine „explosive Dynamik“ verloren, man sei aber noch in einer kritischen Phase.