Marco Grüttner beim Torjubel: Beim 5:0 in Wiesbaden gelangen ihm für Jahn Regensburg drei Treffer. Foto: dpa/Uwe Anspach

Marco Grüttner spielte für fast alle Topvereine in Württemberg. Vor dem Duell mit dem VfB Stuttgart verrät er, warum ihn die Rückschläge in seiner bemerkenswerten Karriere nach vorne gebracht haben.

Regensburg/Stuttgart - GSV Erdmannhausen und SGV Freiberg – so hießen die Jugendstationen von Marco Grüttner. Er genoss nicht die Annehmlichkeiten in einem schmucken Nachwuchsleistungszentrum eines Proficlubs. Der Stürmer befand sich nie in der Komfortzone. Er musste vielmehr gegen Widerstände ankämpfen. Er musste sich alles hart erarbeiten. Schritt für Schritt. Liga für Liga. Mit eisernem Willen. An diesem Samstag (13 Uhr/Continental-Arena) erlebt der 33-Jährige im Dress des SSV Jahn Regensburg so etwas wie den vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere. Es geht in einem Punktspiel gegen den VfB Stuttgart und seinen ehemaligen Mitspieler Hamadi Al Ghaddioui. Gut 40 Karten musste der gebürtige Ludwigsburger für Familie und Freunde besorgen. „Es ist schon der Wahnsinn, dass ich das erleben darf “, sagt Grüttner, der sich schon jetzt aufs Rückspiel in der Mercedes-Benz-Arena freut: „Da einzulaufen, wird dann noch einmal etwas ganz Besonderes.“

An den Aufgaben gewachsen

Wer die Karriere von Marco Grüttner verfolgt, dem fällt auf: Völlig egal in welcher Liga und bei welchem Verein er am Ball war, ein Näschen für Tore hatte der Strafraumstürmer immer. Seit der Saison 2017/18 eben in der zweiten Liga, wo er im vergangenen August beim 5:0 in Wiesbaden einen Tore-Dreierpack schnürte. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, sagt Grüttner mit einem Lächeln.

Lesen Sie hier: Interview mit Marco Grüttner

Seine Vereinswechsel haben ihn immer weitergebracht. Dennoch gab es in fast jeder seiner Stationen immer wieder Stimmen, die ihm den nächsten Schritt nicht zutrauten. Zu wenig Technik, zu wenig Sprinterqualitäten, hieß es. Ob er gegenüber den Skeptikern eine gewisse Genugtuung verspüre, es längst zum Führungsspieler im Bundesliga-Unterhaus gebracht zu haben? „Nein“, sagt Grüttner, „wer mich kennt weiß, was ich kann und welchen Wert ich für meine Mannschaft habe.“

Im dritten Jahr Kapitän

Dass er nun schon im dritten Jahr in Regensburg die Kapitänsbinde trägt, sagt schon vieles über seinen Charakter aus. Grüttner ist ein absolutes Vorbild in Sachen Kampf, Wille, Leidenschaft, Disziplin. Er reißt seine Teamkollegen mit. Dennoch ist sein steiler Aufstieg nicht selbstverständlich. „Ich war oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, meint Grüttner – und nennt dann noch einen weiteren Grund: „So blöd sich es anhört, aber Rückschläge brachten mich nach vorne.“

Schädelbruch 2010 in Aalen

Im Oktober 2010 rasselte er im Training beim VfR Aalen mit dem Torwart zusammen. Auf dem Platz musste er notärztlich versorgt werden, danach ging’s in die Klinik, wo ein Schädelbruch diagnostiziert wurde. Im März 2011 feierte der 1,85-m-Mann sein Comeback.

Lesen Sie hier: Walter-Team bereitet sich auf Jahn Regensburg vor

Er kam stärker zurück. Genauso nach seinem Jochbein- und Augenhöhlenbruch am sechsten Spieltag der Saison 2011/12 bei den Stuttgarter Kickers, mit denen er dann am Saisonende in die dritte Liga aufstieg. Grüttner – das Stehaufmännchen.

2013 bis 2016 beim VfB II

Von 2013 bis 2016 trug er den Dress des VfB II. Am Ende stand der Abstieg in die Regionalliga. Grüttners auslaufender Vertrag wurde nicht verlängert. Doch auch dieser Rückschlag brachte ihn nach vorne. Jahn Regensburg, gerade in die dritte Liga aufgestiegen, klopfte an – und schaffte mit Grüttner in der Folgesaison den Durchmarsch in die zweite Liga. „Der Jahn ist ein außergewöhnlicher Verein mit außergewöhnlichen Personen“, schwärmt Grüttner. Er nennt zuallererst den Geschäftsführer Christian Keller, den Trainer Mersad Selimbegovic, aber auch dessen Vorgänger Heiko Herrlich und Achim Beierlorzer.

Lesen Sie hier: 8:0 gegen Regensburg – ein Sieg für die Geschichtsbücher

Vertrag läuft am Saisonende aus

Am Saisonende läuft Grüttners Vertrag in Regensburg aus. „Ich kann mir vieles vorstellen“, sagt er. Wobei er klarstellt: „Der Wunsch, mit der Familie in die Heimat zurückzukehren, ist grundsätzlich da.“ Früher oder später. In der Nähe von Affalterbach hat der Sohn des ehemaligen Oberligatorwarts Raimund Grüttner ein Haus gebaut. Schon jetzt pendelt er mit Ehefrau Natalie und den Kindern Laia (3) und Lunis (zehn Monate) die rund 200 Kilometer in die Oberpfalz. Bleibt vor dem Duell mit dem VfB noch die Frage, ob er sich den allerletzten Schritt auch noch zutraut, und sich den Traum vom Bundesligaspieler erfüllt? Grüttner muss lächeln: „Dazu müsste ich wahrscheinlich mit Jahr Regensburg aufsteigen, doch wer uns kennt, der weiß, dass wir andere Ziele verfolgen.“