Die EU hat eine geplante Regelung zu Medizinprodukten noch einmal verlängert. Wegen fehlender Instrumente hätten sonst womöglich wichtige Operationen nicht durchgeführt werden können. Foto: dpa/Bodo Schackow

Ärzte und Patienten in Krankenhäusern können aufatmen. Die EU-Kommission hat vorerst die drohende Krise bei der Versorgung mit Medizinprodukten abgewendet. Am Freitag wurde die sogenannte EU-Medizinprodukteverordnung verlängert. Wäre das nicht passiert, hätten in den nächsten Monaten womöglich lebenswichtige Eingriffe nicht durchgeführt werden können, weil die notwendigen Instrumente dafür gefehlt hätten.

Die EU-Kommission erkennt spät das Problem

Der Entscheidung ging ein zähes Ringen voraus. Das konnte erst beendet werden, als sich in der Brüsseler Führungsetage die Einsicht durchsetzte, dass nicht alles, was gut gemeint ist, tatsächlich auch positive Folgen nach sich zieht. In einer Plenarsitzung im November erklärte die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides: „Je näher wir dem Ende der Übergangszeit kommen, desto deutlicher wird, dass der Zugang der Patienten zu diesen Produkten nicht gewährleistet ist. In der Tat besteht die ernsthafte Gefahr, dass es zu Engpässen bei Medizinprodukten kommt.“ Und sie versicherte im selben Atemzug, dass die EU-Kommission sich der Dringlichkeit „sehr bewusst“ sei.

Im Grund wollten die EU-Gesetzgeber im Fall der sogenannten Medical-Device-Regulation (MDR) nur das Beste für die Bürger. Die Regelung soll dafür sorgen, dass nur solche Medizinprodukte in Arztpraxen oder Krankenhäusern eingesetzt werden, die ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen haben - und dieses Zulassungsverfahren muss in aller Regel alle fünf Jahre erneuert werden.

Reaktion auf einen Skandal in Frankreich

Auslöser für die Revision der bereits bestehenden Medizinprodukteverordnung im Jahr 2017 war der große Skandal in Frankreich und Deutschland, bei dem Brustimplantate mit Industriesilikon gefüllt wurden. In Zukunft sollten solche Verbrechen vermieden werden. Doch anstatt einer verbesserten Patientensicherheit wurde genau das Gegenteil erreicht. Denn in Zukunft sollen die Hersteller auch seit Jahren erfolgreich genutzte Produkte, sogenannte Bestandsprodukte, erneut zertifizieren. Das aber ist manchen Unternehmen zu kostspielig und auch bürokratisch zu aufwendig, weshalb sie sich entscheiden, ihre Medizinprodukte lieber vom Markt zu nehmen. Dies gilt insbesondere für Nischenprodukte, die oft in deutlich geringeren Mengen eingesetzt werden, zum Beispiel, um Kinder zu behandeln. Dabei geht es etwa um bewährte Ballonkatheter, aber auch einfache Schläuche, Sonden oder Prothesen, die selten zum Einsatz kommen und deswegen nur in kleiner Stückzahl produziert werden.

Die am Freitag vorerst beschlossene Regelung sieht nun vor, dass die Fristen für das Inkrafttreten der neuen Medizinprodukteverordnung im Fall von einfacheren Instrumenten auf 2028 verschoben wird. Dazu zählen zum Beispiel Geräte zum externen Fixieren von Knochenbrüchen. Für komplizierte, implantierte Geräte wie etwa Herzschrittmacher ist das Jahr 2027 festgesetzt worden.

Wichtige Branche für Baden-Württemberg

Vor allem Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) war in Brüssel immer wieder vorstellig geworden, um für eine Lösung zu werben. Im Südwesten Deutschlands sind besonders viele mittelständische Hersteller von Medizingeräten angesiedelt, für die sich die erneute Zertifizierung von bisweilen seit Jahren produzierten Geräten kaum gelohnt hätte. Aus diesem Grund fordert die Ministerin zum Beispiel eine einfachere klinische Bewertung für in kleinen Stückzahlen gefertigter Nischenprodukte oder auch für sogenannte Bestandsprodukte, die seit vielen Jahren erfolgreich auf dem Markt sind.

Unterstützung bekommt die Ministerin aus Baden-Württemberg von Peter Liese. Auch der Europaparlamentarier ist zufrieden, dass die Fristen nun verlängert werden, erklärt aber: „Wir brauchen nun eine langfristige Lösung.“ Als Beispiel für eine schnelle und pragmatische Lösung nennt der CDU-Politiker die USA, wo die Hersteller vom Staat unterstützt werden, wenn sie wichtige medizinische Geräte auch in kleiner Stückzahl herstellen.