Markus Wolf führt das Unternehmen seit zwei Jahren Foto: Heinz Heiss

Der Einzelhändler Markus Wolf ist sich sicher, dass die Fachgeschäfte im Stadtbezirk eine Zukunft haben.

Stuttgart-Möhringen - Manchmal wünscht sich Markus Wolf, die Menschen hätten etwas mehr Mut. So wie sein Großvater Erwin Wolf, der am 13. Januar 1933 das allererste Reformhaus auf den Fildern gründete. Sechs Millionen Menschen waren damals arbeitslos gemeldet, viele Familien hatten nicht einmal genug zu essen.

Erwin Wolf traute sich vor 80 Jahren trotz der wirtschaftlichen und politischen Krise, ein Fachgeschäft für Körperpflegeöle, Pflanzensäfte und andere hochwertige Produkte in Möhringen zu eröffnen. Ein Kaufmann alter Schule sei sein Großvater gewesen, erinnert sich Markus Wolf, „sehr direkt und klar im besten Sinne“.

Auch ihm war nicht bange zumute, als er vor zwei Jahren das Geschäft an der Filderbahnstraße 22 von seinem Vater Rudolf übernahm, der krankheitsbedingt früher aufhören musste als geplant. Markus Wolf könnte jetzt darüber lamentieren, dass viele Reformhäuser im Land nicht vom Bioboom im Einzelhandel profitiert haben, und er könnte über die großen Biomarktketten schimpfen. „Wir sind kein Bioladen“, betont er indes, „unsere Vereinigung Neuform setzt andere Maßstäbe.“

Der Stadtbezirk ist groß, aber persönlich

Als Schüler hatte er davon geträumt, Pilot zu werden, weil er „einen Riesenspaß am Fliegen“ hat. Doch ein Berufsleben lang wollte er nicht so weit weg von der Heimat sein. Also absolvierte der 35-Jährige eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei Feinkost Böhm und besuchte später die Reformhaus-Fachakademie in Oberursel. Ab und zu hebt er immer noch ab: nämlich dann, wenn er in einem Lotus Seven Rennen in Tübingen oder im Badischen fährt. „Ein heißes Gerät und ein Heidenspaß“, sagt er lachend, „auch wenn ich nur der Beifahrer bin.“

Technikaffin wie er ist, hat Markus Wolf kürzlich einen eigenen Online-Shop eröffnet, um sein Geschäft fit für die Zukunft zu machen. Den Standort Möhringen würde er trotzdem nie aufgeben. Hier ist er aufgewachsen, hier lebt er mit seiner Ehefrau Corinna – und hier kann er ausspannen, indem er einfach raus auf die Felder in Richtung Sonnenberg marschiert und die Natur genießt.

Der Stadtbezirk sei groß, aber bei aller Größe persönlich, das schätzt er ebenso wie den Zusammenhalt unter den Geschäftsleuten. „Der Vorstand des Gewerbe- und Handelsvereins kümmert sich rührend um alles“, lobt Wolf. Ob Möhringer Herbst, Möhringen mobil oder der vom Bürgerverein organisierte Christkindlesmarkt: die Strukturen stimmten einfach.

Man braucht mitunter einen langen Atem

Und mögen andere über das Verkehrschaos an der Filderbahnstraße in Möhringens Mitte schimpfen, Markus Wolf findet den Standort „bombig“. Sicher, über eine „Befriedung“ der Straße würde auch er sich freuen, wie er sagt. Doch fürs Geschäft wäre es schlecht, wenn nur noch Radfahrer und Busse durchfahren dürften, da ist er sich sicher. Er ist froh, dass diese Pläne vom Tisch sind. Einige Kunden könnten aufs Auto nicht verzichten, vor allem jene, die nicht mehr ganz gut zu Fuß seien. „In Degerloch ist das wunderbar geregelt mit der Epplestraße als Einbahnstraße“, findet Wolf.

Schon mit ein paar mehr Sitzgelegenheiten ließe sich die Einkaufsstraße aufwerten. Wenn er im Sommer Stühle vor seinem Reformhaus aufstellt, verweilen die Leute dort gerne ein Weilchen. „Haben die Möhringer mal etwas Gutes entdeckt, bleiben sie dabei“, sagt der Einzelhändler und holt zwei Dosen mit Kamillentee. Aus dem einen Döschen strömt ein intensiver Kräutergeruch, während die andere Sorte blass aussieht und auch so riecht. „Wenn ich Kamillentee möchte, dann sollte kein Stroh in der Packung sein“, sagt Markus Wolf. Die Möhringer wüssten die Qualität im Fachgeschäft zu schätzen.

Andere Händler glauben hingegen offensichtlich nicht daran, dass sie in dem äußeren Stadtbezirk wirklich eine Zukunft haben. „Die vielen leer stehenden Geschäfte ergeben kein gutes Bild für Möhringen“, bedauert Wolf. Sicher, man brauche mitunter einen langen Atem – und eben ein bisschen Mut, so wie einst sein Großvater und dann sein Vater Rudolf. „Der hat richtig gewirtschaftet, immer ein Ohr für die Kunden gehabt und sich nie ausgeruht“, erzählt Markus Wolf.

Das ist bis heute so geblieben. Obwohl sein 68-jähriger Vater gesundheitlich angeschlagen ist, kommt er noch täglich ins Geschäft und berät die Kunden. „Wir brauchen dich“, sagt der Sohn, „du kennst dich hier besser aus als jeder andere.“