Große Infrastrukturprojekte wie die Schnellbahnstrecke Stuttgart-Ulm (hier der Boßlertunnel bei Mühlhausen) sollen nach Vorstellung der Großen Koalition künftig schneller geplant werden. Foto: dpa

Von der Idee bis zum Spatenstich dauert es meist sehr lange. Wenn es nach der Bundesregierung geht, soll sich das nun bald ändern und Tempo gemacht werden bei der Planung von Großprojekten.

Berlin - Beispiele dafür, dass es von der Idee für ein Bauvorhaben bis zum ersten Spatenstich oft sehr lange dauert in Deutschland, gibt es zuhauf: Stuttgart 21 ist da wegen seiner politischen Brisanz fast noch der Ausnahmefall, aber auch weniger spektakuläre Projekte erhalten manchmal erst nach einem Jahrzehnt die endgültige Baugenehmigung. Allein ein Planfeststellungsbeschluss kann drei Jahre Zeit in Anspruch nehmen. Wenn es nach der Bundesregierung geht, soll sich das nun bald ändern und Tempo gemacht werden bei der Planung. Wie im Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehen, soll das Verkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) ein „Planungsbeschleunigungsgesetz“ auf den Weg bringen. Ein erster Entwurf, der in diesen Tagen zur internen Abstimmung an die Ressorts gegangen ist, liegt unserer Zeitung vor.

Zu den zentralen Neuerungen gehört, dass in manchen Fällen mit vorbereitenden Baumaßnahmen oder „Teilmaßnahmen“ begonnen werden darf, noch ehe das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist. Der Gesetzentwurf räumt dazu den Behörden bei Bundesfernstraßen und Bundesschienenwegen die „Möglichkeit ein, für bestimmte Maßnahmen eine vorläufige Anordnung zu treffen“. Der Text aus Scheuers Ministerium stellt in diesem Zusammenhang klar, dass es sich nur um Dinge handeln kann, „die wieder rückgängig gemacht werden können“. Als Beispiele werden Kampfmittelbeseitigungen, archäologische Grabungen, die Beseitigung von Gehölzen, die Verlegung von Leitungen oder naturschutzrechtliche Maßnahmen genannt.

Politischer Zündstoff

Nach Angaben von Kirsten Lühmann, der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, fielen auch der Ankauf von Flächen und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen darunter. Sie verspricht im weiteren Gesetzgebungsprozess dafür zu sorgen, dass „nicht als Vorbereitungsmaßnahme ein Wald abgeholzt werden kann – das wäre nämlich irreversibel“. Auch Enteignungen für große staatliche Bauvorhaben fallen ausdrücklich nicht unter die vorbereitenden Maßnahmen. Außerdem betont der Entwurf, dass eine vorläufige Bauanordnung „im Regelfall erst nach Vorliegen der Einwendungen und Stellungnahmen im Rahmen des Anhörungsverfahrens getroffen werden kann“.

Politischen Zündstoff birgt die Neuerung dennoch. „Es geht nicht, dass Bauarbeiten vor der eigentlichen Genehmigung anfangen“, kritisiert der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer gegenüber unserer Zeitung: „Das ist eine Schnapsidee und bringt nur Ärger, wenn es doch noch eine Ablehnung gibt.“

Zu den wichtigen Änderungsvorschlägen des Verkehrsministeriums gehört auch, dass „in einfach gelagerten Fällen“ an die Stelle eines langwierigen Planfeststellungsverfahrens eine deutlich weniger aufwendige Planungsgenehmigung treten kann. Kirsten Lühmann von Koalitionspartner SPD nennt als Beispiel die Renovierung einer bereits bestehenden Brücke, für die es nicht das vollständige Anhörungs- und Einspruchsverfahren brauche. Bisher ist es so, dass alle Projekte, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, automatisch nach der langen Verfahrensvariante verlangen. Es kann auch auf Umweltverträglichkeitsprüfungen verzichtet werden, wenn sie an anderer Stelle schon durchgeführt werden – Klagefristen werden vereinheitlicht, die nachträgliche Beweisaufnahme erschwert. So könnte beispielsweise ein erst im Laufe des Verfahrens entstandenes Biotop einen Bau nicht mehr verhindern.

Nur eine Klageinstanz

Der Rechtsweg soll mit dem Planungsbeschleunigungsgesetzt ebenfalls weiter verkürzt werden. Im vergangenen Jahr hat noch die alte Regierungskoalition beschlossen, dass es für insgesamt 46 wichtige Straßenbauvorhaben nur noch eine einzige Klageinstanz gibt – das Bundesverwaltungsgericht. Mit dem neuen Gesetz soll dieses Prinzip auch auf Bahnprojekte übertragen werden. So werden 41 Schienenstrecken definiert, entlang derer Bauvorhaben einzig und allein von den Leipziger Richtern gestoppt werden können. Hinzu kommt, dass die entsprechende Planfeststellungsverfahren alle beim Eisenbahn-Bundesamt gebündelt werden sollen – ob dies die Bundesländer so einfach akzeptieren werden, ist offen.

In Baden-Württemberg zählen dazu der „Großknoten“ Mannheim sowie die weiterführende Rheintalschiene über Karlsruhe bis Basel. Die bereits im Bau befindliche Strecke Stuttgart-Ulm zählt ebenso dazu wie die beiden Bodenseeverbindungen von Ulm über Friedrichshafen nach Lindau sowie von Stuttgart nach Singen. Im Berliner Koalitionsvertrag werden sie als „Projekte mit überragendem öffentlichem Interesse“ bezeichnet.

Private Projektmanager

Zu den eher praktischen Neuerung gehört, dass möglicherweise überlastete Genehmigungsbehörden private Projektmanager berufen können. Sie sollen die jeweiligen Verfahren besser überblicken und auch Druck zur Einhaltung etwa von Fristen machen. „Erfahrungen aus dem Energiebereich zeigen, dass die Einbeziehung von privaten Dritten zu einer Straffung und Bündelung der Abläufe in Genehmigungsverfahren führen kann“, heißt es dazu im Gesetzentwurf. Der Grüne Krischer hält nicht nur die Einschränkung der Klagemöglichkeiten für einen „Irrweg“, sondern fordert als zentrale Maßnahme „kompetente, gut ausgestattete Planungsbehörden, Genehmigungsbehörden und Gerichte – das ist dann eine echte Beschleunigung.“

Die verkehrspolitische Sprecherin der Unionsfrakion, Daniela Ludwig (CSU), wirbt dagegen für das Vorhaben ihres Parteifreundes Scheuer: „Die Verfahrensabläufe in der Planung werden durch das Gesetz vereinfacht, der Rechtsschutz bleibt umfassend gewahrt.“ Das erhöhe auch die Akzeptanz für Baustellen in der Bevölkerung. Für nicht weitgehend genug hält dagegen ihr FDP-Kollege Oliver Luksic den Gesetzentwurf: „In Deutschland muss es wieder möglich sein, Straßen, Brücken und Schienenwege in einer angemessenen Zeit in den Bau zu bekommen.“ Es brauche ein schnelles Verfahren für Ersatzneubauten und eine umfassende Reformierung der Naturschutzauflagen, die vorgesehene Kürzung der Instanzen bei Gericht für bestimmte Projekte und eine Vorabplanung vor Planfeststellungsbeschluss werden hier nicht ausreichen. Die Liberalen, so Luksic, würden nun den Regierungsentwurf genauer prüfen, die Anhörung der Verbände im Verkehrsausschuss abwarten und dann einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.