Das Zentralarchiv für die Papierakten der alten Grundbuchämter hat bereits vor fünf Jahren in Kornwestheim eröffnet. Foto: Werner Kuhnle

Von 677 Grundbuchämtern in Baden-Württemberg werden bis zum Jahresende nur 13 übrig bleiben. Doch bei dieser größten Reform der Justiz im Land knirscht es teilweise gewaltig. Und die erhofften Einsparungen für die Kommunen haben sich nicht realisiert – im Gegenteil.

Stuttgart - Relativ geräuschlos vollzieht sich gerade die größte Reform des Justizwesens, die es jemals in Baden-Württemberg gegeben hat: Bis zum Jahresende werden die 677 Grundbuchämter im Land an 13 Amtsgerichten zentralisiert; parallel dazu werden die staatlichen Notariate mit etwa 800 Notaren zum Stichtag 31. Dezember aufgelöst und in freiberufliche Einrichtungen umgewandelt. In den Rathäusern, denen Einsparungen in Aussicht gestellt worden sind, grummelt es gewaltig – denn jetzt zahlen am Ende viele Kommunen drauf. Laute Kritik gibt es aber kaum, auch nicht von den Einwohnern, obwohl Bürgernähe und Service deutlich leiden.

Die treibende Kraft bei diesen Reformen war vor allem der Wunsch nach Kostensenkungen. Schon im Jahr 2006 hatte der Rechnungshof moniert, dass Baden-Württemberg mehr Grundbuchämter habe als alle anderen Bundesländer zusammen. Durch eine Zentralisierung könnten jährlich 31 Millionen Euro bei den Kommunen und fünf Millionen Euro beim Land eingespart werden, so der Rechnungshof. Daneben wollte man mit der Verschlankung die Digitalisierung der Daten beschleunigen; seit 2012 wird jetzt ausschließlich mit der elektronischen Grundakte gearbeitet.

Die Grundbücher werden künftig von 13 Amtsgerichten geführt

Jetzt ist die Reform fast umgesetzt. Alle Papierakten wandern derzeit aus den Gemeinden und Notariaten in ein Zentralarchiv in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg). 180 Kilometer an Akten werden sich dort bald aneinanderreihen. Die eigentliche Führung der digitalen Grundbücher obliegt aber 13 Amtsgerichten, die übers Land verteilt sind. Bei bestimmten Eintragungen ist der Gang dorthin notwendig – Bürger aus Münsingen etwa müssen künftig mehr als 60 Kilometer nach Böblingen fahren. Für die Stuttgarter ist, je nach Wohnsitz, Waiblingen oder ebenfalls Böblingen zuständig.

Die meisten Kommunen haben deshalb Einsichtsstellen eingerichtet, um den Wegfall des Grundbuchservices etwas abzufedern. Dort kann man für zehn bis 20 Euro einen Auszug aus dem Grundbuch und Kopien erhalten, aber keine Eintragungen vornehmen. Auszüge online zu beantragen, ist laut Robin Schray, dem Sprecher des Justizministeriums, frühestens vom nächsten Jahr an möglich. Beurkundungen können wie früher bei den (dann freien) Notaren vorgenommen werden.

Vor Ort bedeutet die Umstellung einen Verlust an Wissen

Ganz grundsätzlich beklagen viele Bürgermeister, mit dem Umzug der historischen Akten gebe es einen deutlichen Wissensverlust vor Ort. Vor allem aber müssen die Kommunen die freiwilligen Einsichtsstellen selbst finanzieren. In Baden waren die Grundbuchämter vorwiegend in den Rathäusern angesiedelt gewesen, das Land zahlte dafür einen – allerdings nicht kostendeckenden – Ausgleich. In Württemberg gab es dagegen landeseigene Notariate; die württembergischen Kommunen hatten bisher also gar keine Aufwendungen. Insofern bleibt die Einspar-Prognose des Rechnungshofes aus dem Jahr 2006 für die Städte zwar im Prinzip richtig – doch die zusätzlichen Kosten für die neuen Einsichtsstellen hatte damals niemand auf dem Schirm. Unterm Strich wird es ein Verlustgeschäft. „Für die Städte und Gemeinden vor allem in Württemberg ist das schon hart“, sagt Gudrun Heute-Bluhm, die Vorsitzende des Städtetages Baden-Württemberg. Man verhandle deshalb gerade mit den Ministerien mit dem Ziel, die Gebühren vollständig behalten zu dürfen. Manche Kommunen – wie Mössingen, Bodelshausen oder Rottenburg am Neckar (alle Kreis Tübingen) – haben sich aus finanziellen Gründen dennoch gegen eine Einsichtsstelle entschieden.

Mitarbeiter waren in der Umsetzungsphase überlastet

Das Land selbst profitiert dagegen langfristig von der Reform. Diese sei zwar eine „gewaltige organisatorische, technisch komplexe und personalintensive Herausforderung“, sagt der Ministeriumssprecher Schray; und zunächst koste sie 96 Millionen Euro. Aber auf lange Sicht gehe man davon aus, dass das Land jährlich 14,5 Millionen Euro einspare. Vor der Reform wurden die Grundbuchämter jedes Jahr mit 63,3 Millionen Euro finanziert.

Auch in der Umsetzung knirscht es bei der Reform. Die Amtsgerichte müssen in ihre neue Aufgabe hineinwachsen. Zudem sind viele Mitarbeiter neu – das Grundbuchamt beim Amtsgericht Böblingen etwa wächst von 20 Mitarbeitern bei der Eröffnung vor zwei Jahren auf 150 bis zum Ende dieses Jahres. So kam es zumindest in der Übergangsphase zu deutlich längeren Bearbeitungszeiten. Am Amtsgericht Emmendingen zum Beispiel musste ein Mitarbeiter laut einer Landtagsanfrage zeitweise fast doppelt so viele Verfahren wie üblich bearbeiten. „Es war bei allen Amtsgerichten nicht einfach“, räumt Schray ein. Man habe aber reagiert, indem man Personal von anderen Stellen eingesetzt habe.

Land zeigt sich gegenüber den Mitarbeitern flexibel

Tatsächlich lobt sogar die Gewerkschaft Verdi die „sozialverträgliche Umsetzung“ der Reform. Laut Hanna Binder seien die Versetzungswünsche der Mitarbeiter überwiegend berücksichtigt worden. Laut Robin Schray soll die Zahl der Landesbeschäftigten im Grundbuchwesen von ursprünglich 1300 auf künftig 860 sinken. Allerdings bleibt für Verdi die Kritik, dass die „Notariatsgewinne künftig privatisiert werden“.

Denn parallel zur Reduzierung der Grundbuchämter läuft ja die Auflösung der staatlichen Notariate; künftig gibt es in dieser Branche nur noch Freiberufler. In diesen Monaten müssen sich die bisherigen Beamten entscheiden, ob sie weiter im Dienst des Landes bleiben oder eine der 246 freien Notarsstellen übernehmen wollen. Während die Auflösung der Ämter über mehrere Jahre verlief, endet die Tätigkeit der staatlichen Notare auf einen Schlag am 31. Dezember dieses Jahres; am 2. Januar nehmen die freien Notare ihre Arbeit auf. Dieser harte Wechsel, räumt Robin Schray ein, sei eine „echte Herausforderung“.