Das Präsidialsystem würde Erdogan in der Türkei deutlich mehr Macht verleihen. Foto: AP

Bei dem Volksentscheid in der Türkei über die Stärkung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt es nach 95 Prozent der ausgezählten Stimmen eine knappe Mehrheit der „Ja“-Stimmen.

Stuttgart - Beim Referendum über die Einführung des von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebten Präsidialsystems liegen die „Ja“-Stimmen nach Angaben von Staatsmedien knapp vorne. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, bei einer Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmen liege die Zustimmung zu Erdogans Präsidialsystem bei 51,6 Prozent. Gegen das Präsidialsystem hätten bislang 48,4 Prozent gestimmt. Mit der fortschreitenden Auszählung nahm der Anteil der „Ja“-Stimmen am Sonntagabend ab.

Oppositionsvertreter in der Wahlkommission bestätigten diese Zahlen allerdings zunächst nicht. Der CHP-Vertreter in der Kommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu, sagte der Deutschen Presse-Agentur, es seien bislang deutlich weniger Stimmen ausgezählt als von Anadolu vermeldet. Er sprach von „Manipulation“. Der Vertreter der pro-kurdischen HDP in der Kommission, Attila Firat, sagte, die Wahlkommission habe noch nicht annähernd so viele Stimmen ausgezählt. Das „Nein“-Lager könne noch gewinnen.

Opposition spricht von unfairem Wahlkampf

Erdogan-Berater Mustafa Akis sagte am Sonntagabend vor Journalisten in Ankara, er rechne mit einem Sieg beim Referendum. Nach den bisherigen Ergebnissen habe die Bevölkerung der Verfassungsänderung zugestimmt. „Das Ergebnis ist in allen Aspekten legitim und demokratisch.“ Akis sagte, der Wahlkampf sei aus seiner Sicht fair verlaufen. „Diejenigen, die für ein „Ja“ oder für ein „Nein“ warben, hatten die Möglichkeit, sich durch Medien auszudrücken und mit der Öffentlichkeit zusammenzutreffen“, sagte er. „Ich glaube, sie hatten gleiche Chancen. Ich habe keine Ungleichheiten gesehen.“

Die Opposition hatte einen zutiefst unfairen Wahlkampf kritisiert, bei dem Erdogans AKP auf Staatsmittel zurückgegriffen habe. Die Abstimmung war am Sonntagnachmittag mit der Schließung der Wahllokale im Westen des Landes beendet worden. Unmittelbar danach begann die Auszählung der Stimmen. Umfragen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhergesagt.

Das Präsidialsystem würde Erdogan mit deutlich mehr Macht ausstatten. Die Opposition warnte vor einer Ein-Mann-Herrschaft. Erdogan versprach Stabilität und Sicherheit, sollte das Präsidialsystem eingeführt werden. Er hat im Falle seines Sieges beim Referendum außerdem die Einführung der Todesstrafe in Aussicht gestellt.

In Deutschland liegt Wahlbeteiligung bei 49 Prozent

Insgesamt waren rund 58,2 Millionen Wahlberechtigte zur Abstimmung aufgerufen: 55,3 Millionen in der Türkei und 2,9 Millionen im Ausland. Letztere hatten bis zum Sonntag vergangener Woche die Möglichkeit, in ihren jeweiligen Ländern abzustimmen. In Deutschland hatte die Wahlbeteiligung bei knapp 49 Prozent gelegen.

Zu Beginn der Auszählung waren die „Ja“-Stimmen noch weit vorne gelegen. Der Sender CNN Türk meldete nach Auszählung von gut einem Viertel der Stimmen, die Zustimmung zu Erdogans Präsidialsystem liege bei 62,6 Prozent. Gegen das Präsidialsystem hätten bislang 37,4 Prozent gestimmt.

Die Abstimmung war am Sonntag um 16 Uhr (MESZ) mit der Schließung der Wahllokale im Westen des Landes beendet worden. Unmittelbar danach begann die Auszählung der Stimmen. Umfragen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhergesagt. Das Präsidialsystem würde Erdogan mit deutlich mehr Macht ausstatten.