EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Foto: EPA

Die EU hat immer noch keine gemeinsame Linie in der Flüchtlingskrise. Wie geht es weiter? Für ein Sondertreffen der EU-Innenminister soll diesen Mittwoch Vorarbeit geleistet werden: Kommissionspräsident Juncker hat einen Plan.

Straßburg - Mit der offiziellen Vorstellung von neuen Vorschlägen aus Brüssel geht die Diskussion über die künftige Flüchtlingspolitik der Europäischen Union in eine neue Runde. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will an diesem Mittwoch Maßnahmen präsentieren, die bereits am kommenden Montag bei einem Sondertreffen der europäischen Innenminister beschlossen werden könnten.

Dazu gehört auch die Umverteilung von weiteren 120.000 Asylsuchenden aus Ungarn, Griechenland und Italien nach festen Quoten. Deutschland soll diesen Ländern rund 31.400 schutzbedürftige Menschen abnehmen. Mittelfristig möchte die EU-Kommission zudem einen festen Mechanismus etablieren, um weitere Diskussionen über die gerechte Verteilung von Flüchtlingen zu vermeiden. Eine neue EU-weite Liste sicherer Herkunftsstaaten könnte eine leichtere Abschiebung von Migranten ohne Anspruch auf Asyl ermöglichen.

Präsentieren will Juncker die Vorschläge im Rahmen einer Rede zur Lage der Europäischen Union, die er am Vormittag vor dem Europäischen Parlament in Straßburg hält. Anschließend ist eine Debatte angesetzt.

„Juncker wird heute deutlich machen: Europa liefert“

Von Abgeordneten kam bereits im Vorfeld Unterstützung. „Jean-Claude Juncker wird heute deutlich machen: Europa liefert. Er hat unsere Unterstützung für seine Vorschläge für eine Flüchtlingsquote und eine klare Mehrheit im Europäischen Parlament“, kommentierte der CSU-Politiker und EVP-Fraktionschef Manfred Weber. „Jetzt ist es an den Mitgliedstaaten, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden und zügig die Vorschläge beschließen und umsetzen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel Merkel hatte sich am Dienstag bei einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven optimistisch geäußert, dass es trotz des Widerstands von osteuropäischen Ländern einen Kompromiss zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen geben könnte. Sie machte allerdings deutlich, dass bis zu einer Einigung noch einige Zeit vergehen kann.

Deutschland und Schweden nahmen zuletzt die meisten Asylbewerber auf. In der Bundesrepublik werden in diesem Jahr nach bisherigen Schätzungen mindestens 800.000 Migranten erwartet, in Schweden mehr als 80.000.

Es soll unter anderem soll ein 1,8 Milliarden Euro schwerer Fonds eingerichtet werden, um Staaten in Nordafrika und am Horn von Afrika zu stabilisieren und beim Schutz ihrer Grenzen zu unterstützen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven verlangten am Dienstag einen klaren Verteilungsschlüssel für die 28 Mitgliedsstaaten. Der österreichische Kanzler Werner Faymann sprach sich sogar für Strafen für jene Länder aus, die sich der Quotenregelung verweigern.

Appell an Solidarität statt Schuldzuweisungen

Aus Kommissionskreisen hieß es am Dienstagabend, Juncker werde in der Debatte um die Flüchtlingspolitik auf Schuldzuweisungen verzichten. Er sehe es als seine Aufgabe an, die Staaten zu einigen und an ihre Solidarität zu appellieren.

Die Flüchtlingspolitik wird am Mittwoch vorraussichtlich auch ein zentrales Thema bei der Fortsetzung der Debatte des Bundestages über den Etat 2016 sein.

Nach Einschätzung von Bundesbauministerin Barbara Hendricks muss Deutschland angesichts des Zustroms von Flüchtlingen mehr bezahlbarer Wohnraum schaffen. „Nach neuen Schätzungen brauchen wir mindestens rund 350.000 Wohneinheiten jährlich“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Wohnungen würden für alle Bedürftigen gebraucht, nicht nur für Flüchtlinge. „Die anerkannten Flüchtlinge werden absehbar normale, bezahlbare Wohnungen suchen, hinzu kommen die nachziehenden Familien“, sagte Hendricks der Zeitung.