Die Fraktionen und örtlichen Parteien in Hemmingen dürfen sich künftig sechs Wochen vor Wahlen nicht mehr äußern. Foto: factum/Archiv

Wegen der Novelle der Gemeindeordnung müssen die Redaktionsstatute vielerorts geändert werden. Das schränkt die Parteien ein – und sorgt nun in Hemmingen für Ärger.

Hemmingen - Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. So heißt es im Grundgesetz. Sie gestalten die öffentliche Meinung mit, sie sollen die Bürger zur Teilnahme am politischen Leben motivieren. Eine Plattform dafür sind auf lokaler Ebene Berichte in Amtsblättern. Von Ort zu Ort sind die Vorgaben dafür unterschiedlich – und vielerorts negiert die Novellierung der Gemeindeordnung nun die bisherige Praxis. Das hat am Dienstag für zum Teil wütende Reaktionen im Hemminger Verwaltungsausschuss gesorgt.

Die neue Fassung der Gemeindeordnung sieht vor, dass Fraktionen des Gemeinderats, nicht aber Parteien und Wählervereinigungen, im Amtsblatt berichten dürfen. Inhaltlich müssen sie sich dabei auf örtlich relevante Themen beschränken. Parteien und Wählervereinigungen sollen nur Veranstaltungen ankündigen. Mit dem Hemminger Redaktionsstatut ist das nicht vereinbar. „Die Hemminger Praxis steht in deutlichem Widerspruch zur Gemeindeordnung“, sagte der Hauptamtsleiter Ralf Kirschner. In der Gemeinde ist es seit vielen Jahren Usus, dass ausschließlich die Parteien Berichte veröffentlichen dürfen.

Das Gegenteil einer Karenzzeit

Und noch etwas, das die Gemeindeordnung vorsieht, fehlt in Hemmingen: eine Karenzzeit vor Wahlen, in der sich weder Parteien noch Fraktionen äußern dürfen – egal zu welchem Thema. „Wir haben das Gegenteil einer Karenzzeit“, sagte Kirschner – frühestens acht Wochen vor Wahlen lasse man alles zu. Auch nicht örtlich gebundene Beiträge sind dann erlaubt.

Viele Räte äußerten Unmut über die Vorgaben. „Das erschwert die Öffentlichkeitsarbeit enorm“, sagte Barbara von Rotberg (FDP) mit Verweis auf die schwierige Aufgabe, Bürger zum politischen Engagement zu motivieren. Walter Bauer (CDU) wurde deutlicher: „Da muss ich mir an den Kopf fassen.“ Die Regelung sei „verheerend“ und „Bockmist“: „Wir werden behandelt, wie eine kriminelle Vereinigung.“

Obwohl sich Verwaltung und Räte in ihrer Ablehnung der Änderungen weitgehend einig zu sein schienen, beschloss der Ausschuss diese doch zähneknirschend. Grund ist auch die Angst vor Klagen, wie es sie andernorts bereits gab. Die Südwest-Presse hatte die Stadt Crailsheim verklagt – weil das Amtsblatt ein Wochenblatt und kein amtliches Mitteilungsorgan sei. Laut aktueller Rechtsprechung sollen die Amtsblätter nicht durch überörtliche Berichterstattung in Konkurrenz zu Tageszeitungen treten. Zudem fürchtet man in Hemmingen Wahlanfechtungen, wenn gegen die Karenzzeit verstoßen wird. „Gewisse Gruppierungen warten nur darauf, dass man einen Fehler macht“, sagte Kirschner.

Anderen Kommunen steht die Debatte noch bevor

Beschlossen hat der Verwaltungsausschuss nun, dass Fraktionen sich zu örtlichen Themen äußern, Parteien jedoch nur Termine ankündigen dürfen – beides bis zu sechs Wochen vor Wahlen. Vorbild für diesen Zeitraum – möglich sind bis zu sechs Monate – ist die Stadt Stuttgart.

Anderen Kommunen steht die Debatte über eine Änderung der Redaktionsstatute noch bevor. In Ditzingen dürfen Fraktionen, Parteien und Wählervereinigungen ortsbezogen berichten. Nichtsdestotrotz, sagt der Pressesprecher Guido Braun, müsse das Statut „in absehbarer Zeit“ überarbeitet werden. Vier Wochen vor einer Wahl dürfen sich die Fraktionen bislang nicht mehr äußern, die Berichte der Parteien sind eingeschränkt erlaubt.

In Gerlingen ist die Lage anders

In Korntal-Münchingen soll das Redaktionsstatut nach der Sommerpause geändert werden. Sowohl Parteien als auch Fraktionen dürfen derzeit berichten. Ein örtlicher Bezug ist nicht nötig, auch eine klar geregelte Karenzzeit vor Wahlen gibt es nicht. Vor Wahlen, heißt es lediglich, sei das Neutralitätsgebot zu beachten. „Das ist immer ein Stück weit Auslegungssache und ein großer Graubereich gewesen“, teilt die Pressesprecherin Benita Röser mit.

In Gerlingen hingegen bleibt wohl vorerst alles beim Alten – weil der Gerlinger Anzeiger anders aufgebaut ist. Der amtliche Teil gleicht einer Beilage. Parteien und Wählervereinigungen publizieren im nicht-amtlichen Teil – und der ist nach Ansicht der Hauptamtsleiterin Ulrike Hoffmann-Heer von den Änderungen der Gemeindeordnung nicht betroffen.