Immer unter strengen Sicherheitsvorkehrungen: Prozess gegen Straßenbandenmitglieder Foto: Max Kovalenko

Nach mehr als einem Jahr ist der zweite Mordprozess gegen Mitglieder der Straßenbande Red Legion zu Ende gegangen. Der eigentliche Täter bleibt weiterhin unbekannt.

Stuttgart/Esslingen - Gut zwei Dutzend kräftige junge Männer, die zweifellos dem Umfeld der verbotenen Straßenbande Red Legion aus dem Kreis Esslingen zugeordnet werden können, haben sich als Zuhörer zur Urteilsverkündung in Stammheim eingefunden. Im Mehrzweckgebäude neben dem Gefängnis haben die Richterinnen und Richter der 2a. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart seit 9. Januar 2014 verhandelt.

Am Dienstag verkündete Vorsitzender Richter Ulrich Tormählen die Urteile: drei Männer wurden zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, einer zu vier Jahren und drei Monaten, ein weiterer Angeklagter wurde mit einer Jugendstrafe von knapp drei Jahren belegt – allesamt wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Der Sechste wurde freigesprochen, weil man ihm die Teilnahme an der tödlichen Auseinandersetzung in der Nacht auf den 22. Dezember 2012 in Esslingen nicht nachweisen konnte.

Die Unterstützer der Angeklagten und die wenigen Angehörigen blieben ruhig. Kein Wehgeschrei, keine „Skandal“-Rufe. Dafür waren die Urteile wohl zu mild ausgefallen.

Das hatte Anfang Oktober vorigen Jahres noch ganz anders ausgesehen. Damals hatte die 3. Strafkammer die Urteile im ersten der drei Prozesse wegen gemeinschaftlichen Mordes an dem 22-jährigen Mann verkündet. Ein Red-Legion-Mitglied wurde mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe belegt, die übrigen sieben Legionisten wurden mit bis zu achteinhalb Jahren bestraft. Angehörige und Unterstützer rasteten aus, der Vorsitzende Richter ließ den Saal räumen, Polizei und Justizwachtmeister hatten alle Hände voll zu tun, die Aufgebrachten zur Räson zu bringen.

„Es ist während der Beweisaufnahme nicht gelungen, den eigentlichen Täter zu ermitteln“, sagte Richter Tormählen am Dienstag. Und die jetzt verurteilten fünf Angeklagten im Alter von 21 bis 27 Jahren hätten nach Ansicht der Strafkammer den Tod des 22-jährigen Mannes nicht gewollt. Deshalb komme lediglich eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge und wegen gefährlicher Körperverletzung in neun Fällen infrage. Allerdings dürften die Männer ihre Verantwortung nicht wegschieben. „Wer bei solch einer Aktion mitläuft, ist mitschuldig“, so der Richter. Den Angeklagten sei bewusst gewesen, dass ein Angriff bevorstehe.

Am Abend des 21. Dezember 2012 hatten sich rund ein Dutzend Mitglieder der Straßenbande Black Jackets in einer Shisha-Bar am Esslinger Obertor getroffen. Davon hatten Red-Legion-Männer Wind bekommen. Die beiden multi-ethnischen Banden sind seit geraumer Zeit verfeindet, es geht um Gebietsansprüche, es geht darum, wer zum Beispiel in Esslingen das Sagen hat. Die Legionisten trommelten ein Rollkommando zusammen, das kurz vor dem eigentlichen Kampf auf mehr als 20 Leute angeschwollen war. Die Schwarzjacken wurden zu einem Gespräch vor die Bar gebeten. Dort gingen die Legionisten auf ihre Feinde los. Die Prügelei dauerte keine zwei Minten. Fazit: ein 22-jähriger aus den Reihen der Schwarzjacken wurde durch zwei Messerstiche getötet, mehrere teils schwer verletzt.

Der Mann, der die tödlichen Stiche geführt hat, ist nie ermittelt worden. Er kann sich unter den in drei Prozessen insgesamt 18 Angeklagten befinden. Es ist ebenso möglich, dass er unbehelligt unter den Zuhörern im Gerichtssaal gesessen hat.

Nach den am Dienstag ergangenen Urteilen stehen jetzt noch drei junge Männer vor Gericht. Sie sind ebenfalls des gemeinschaftlichen Mordes an dem 22-Jährigen vor der 3. Strafkammer angeklagt. Dieser Prozess läuft bereits seit dem 17. Februar 2014.

Diese drei Prozess sind bei weitem nicht die einzigen vor dem Landgericht. In bald regelmäßigen Abständen haben es die Strafkammern mit Gewaltaktionen der Straßenbanden zu tun. Einmal prügeln sich Legionisten mit Schwarzjacken bei einer Kickbox-Veranstaltung in Ludwigsburg, dann wieder stehen Bandenmitglieder wegen Drogengeschäften vor Gericht. Deswegen ist die Red Legion verboten worden. Die Black Jackets hat ein solches Verbot bisher noch nicht ereilt.