Ermittler des Bundeskriminalamtes durchsuchen Wohnungen und Grundstücke mutmaßlicher Reichsbürger im Südwesten, in Sachsen und in Schleswig-Holstein nach Unterlagen, Waffen und Munition.
Polizisten der GSG 9 sind am Dienstagmittag in ein Haus nahe dem Friedhof in Althengstett bei Calw eingedrungen. Nachdem das Objekt gesichert war, übernahmen Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) das Objekt, um es zu durchsuchen. Das Ziel: Sie wollten Unterlagen und elektronische Daten finden, die belegen, dass die Verdächtigen die mutmaßliche Rechtsterrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß unterstützt haben.
Dabei ging es den Kriminalen vor allem darum, sogenannte Verschwiegenheitserklärungen zu finden. Dieses Dokument sollten neue Mitglieder der Reuß-Gruppe unterschrieben. Die Beweisaufnahme vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) ergab erst im Mai, dass sich künftige Mitglieder der Gruppe damit verpflichteten, über Pläne, Mitglieder und Gespräche Stillschweigen zu bewahren. Sollten sie gegen diese Schweigepflicht verstoßen, droht ihnen dem Dokument nach die Todesstrafe.
Sieben Objekte, drei Grundstücke
Mehr als 700 Polizistinnen und Polizisten des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei sowie fünf Länderpolizeien durchsuchten gleichzeitig sieben Objekte und drei Grundstücke in Baden-Württemberg, im sächsischen Seiffen und Pockau-Lengefeld sowie einer Bunkeranlage in Schleswig-Holstein. Im Süden wurden Sprengstoffspezialisten des LKAs Baden-Württemberg zu den Maßnahmen hinzugezogen.
Anwohner berichteten zunächst von Schüssen am Althengstetter Friedhof. Bei den Knallgeräuschen handelte es sich jedoch lediglich um die Sprengung des Schlosses der Haustüre. Das gilt als Standardverfahren der GSG 9 oder von Spezialeinsatzkommandos, um sich einen Zugang zu Objekten zu verschaffen. Außer in dem 8000 Einwohner großen Althengstett durchsuchte die Polizei auch ein Objekt im Bad Teinacher Stadtteil Schmieh sowie Grund- und Flurstücke im Landkreis Calw. In Baden-Württemberg werden ein Ehepaar, ein 73 Jahre alter Mann und seine 63-jährige Frau, Geschäftsführerin einer Firma zur Baugrubenabsicherung, beschuldigt.
Sie soll „einem in Frankfurt Angeklagten im Herbst 2021 ein Kraftfahrzeug überlassen haben“, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwaltes. Zudem hätten sie ihm auch einen Versammlungsraum zur Verfügung gestellt. Bei dem Mann handelt es sich offenbar um den früheren Oberstleutnant der Bundeswehr, Rüdiger von Pescatore. Er lebte zeitweise in Brasilien und kehrte – so die Bundesanwaltschaft – nach Deutschland zurück, um sich in der Gruppe um Reuß zu engagieren. Nach einem gewaltsamen Sturz der Bundesregierung sei er als Verteidigungsminister in einer neuen Regierung unter Prinz Reuß vorgesehen gewesen.
Waffen von NVA der DDR gestohlen?
Die im Südwesten Durchsuchten verfügten offenbar legal über ein größeres Waffenarsenal. Im März 2023 schoss während einer Razzia gegen einen mutmaßlichen Unterstützer der Reuß-Gruppe in Reutlingen ein Sportschütze auf Beamte des SEK Baden-Württemberg. Dabei verletzte er einen Polizisten schwer. Der Mann verfügte über mehrere Waffen – und eine sprengstoffrechtliche Genehmigung und Erlaubnis.
Gegen den früheren Kommandeur eines Fallschirmjägerbataillons ermittelte die Polizei bereits in den 1990er Jahren. Er soll nach der Wiedervereinigung Deutschlands Waffen und Munition der Nationalen Volksarmee der DDR an sich gebracht und versteckt haben. Bereits mehrfach durchsuchten Ermittler deshalb erfolglos die Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw sowie den dazugehörenden Standortübungsplatz. Beide Liegenschaften werden durch das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr genutzt. Ein im Kommando als Verbindungsfeldwebel zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr verwendeter Logistiker ist vor dem OLG als Unterstützer der Reuß-Gruppe angeklagt.
Bereits am Montag hatte die GSG 9 sogenannte Erdarbeitsgeräte, kleine Bagger, sowie Gabelstapler teilweise mit Planen verdeckt auf Schwerlasttransportern in die Böblinger Kaserne der Bundespolizei gebracht. Dieses Gerät lässt darauf schließen, dass die Ermittler auf den Grundstücken im Landkreis Calw auch gezielt nach Waffen und Munition suchen.