Ohne vorige Ankündigung hat Vorwerk sein neues Thermomix-Modell präsentiert. Viele Kunden ärgern sich, weil sie gerade erst ein nun veraltetes Produkt gekauft haben. Wie reagiert Vorwerk? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Stuttgart - Zum ersten April soll die neue Generation der Küchenmaschine auf dem Markt sein: Das Modell TM6 kann braten, fermentieren oder karamellisieren – und damit deutlich mehr als der TM5. Doch der Ärger vor allem im Netz ist groß, viele Käufer des Vorgängermodells fürchten einen Wertverlust ihres alten Geräts. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Warum sind viele Fans und Berater oder Beraterinnen verärgert?
Manche fühlen sich „arglistig getäuscht“ oder „belogen“, andere sind einfach nur „enttäuscht“ oder „echt traurig“. Seit Vorwerk am vergangenen Freitagabend, um 22.14 Uhr, auf seiner Facebookseite überraschend den neuen TM6 vorgestellt hat, machen Kunden in hunderten Posts ihrem Ärger Luft. Sauer sind vor allem diejenigen, die sich erst kürzlich das bisherige Modell TM5 gekauft haben: „Warum werden Kunden bei der Bestellung nicht darauf hingewiesen, dass in den nächsten Monaten ein neues Modell erscheint? Ich dachte, Vorwerk steht für Service, Kulanz und Kundenfreundlichkeit!“ schreibt eine Nutzerin. „Kann alles echt nicht wahr sein. Mein TM5 ist vier Monate alt, ich hätte definitiv gewartet auf den neuen. Stinksauer!“, eine andere.
Viele erzählen, dass sie beim Kauf gefragt hätten, ob demnächst ein neues Modell geplant sei, was offenbar verneint wurde. Tatsächlich – so schreibt es Vorwerk auf Facebook – wurden auch die Außendienstmitarbeiter zum selben Zeitpunkt wie die Kunden informiert. Das Küchengerät wird ausschließlich im Direktvertrieb über so genannte Repräsentantinnen auf Thermomix-Partys verkauft. Auch von diesen äußern nun manche ihren Unmut in den Sozialen Medien: „Ich finde es absolut nicht in Ordnung, dass wir nicht vorher informiert wurden. Wir werden uns jetzt mit verärgerten Kunden rumschlagen müssen und sind in Erklärungsnot, weil jeder denkt, die Beraterinnen hätten es wissen müssen.“
Wie äußert sich Vorwerk zu den Vorwürfen?
Auf Anfrage unserer Zeitung hieß es vom Unternehmen, dass man sehr bedauere, dass einige Kunden nun verärgert sind. Die Art und Weise der Einführung sei für Vorwerk als Direktvertriebsunternehmen eine unternehmenspolitische Entscheidung. „Generell ist bei einem Modellwechsel eine Übergangsphase nicht zu vermeiden. Auch bei einer früheren Ankündigung wären einige jener Kunden enttäuscht gewesen, die kurz vor dieser Ankündigung gekauft haben. Eine frühere Ankündigung des Produkts hätte das Thema also nur verschoben“, so eine Vorwerk-Sprecherin.
Ist dieses Vorgehen legitim?
„Es gibt keine Vorschrift, die die Hersteller dazu verpflichtet, neue Modelle mit einem bestimmten zeitlichen Vorlauf anzukündigen“, sagt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Und: Bei jeder Ankündigung eines neuen Modells gebe es einen Stichtag, mit dem dann die Vorgängerversion gewissermaßen veraltet sei, sagt die Verbraucherschützerin. Ärgerlich und intransparent sei das Vorgehen von Vorwerk aber vor allem deswegen, weil Vertrieb und Verkauf der Thermomix-Geräte nur über Vorwerk-Berater und Beraterinnen laufe. Es wird ein persönliches Vertrauenverhältnis aufgebaut .
Auch gebe es keine Händler, an die man sich bei Problemen oder Beschwerden wenden könne und keine Alternativen – sondern alles laufe über Vorwerk. „Das Unternehmen muss schon länger von der Einführung gewusst haben. Man hat diese Information aber bewusst zurückgehalten, um auch die alten Modelle noch zu verkaufen“, sagt Sabine Holzäpfel. Zuletzt hatte das Unternehmen rückläufige Absatz- und Umsatzzahlen bekannt geben. Vorwerk habe also bewusst sein eigenes Interesse verfolgt, sagt Sabine Holzäpfel – und seine Marktmacht in diesem Sektor ausgespielt. Ein kundenfreundliches Verhalten sei dies nicht.
Hier geht es zu unserer Multimedia-Reportage über den Thermomix TM5
Welche Rechte und Möglichkeiten haben verärgerte Kunden nun?
Von Vorwerk heißt es, man habe mit der neuen Thermomix Einführung „tausende Kunden angeschrieben, die zwischen dem 20. Februar und 8. März einen Thermomix gekauft haben, und ihnen aktiv ein individuelles Wechselangebot gemacht“. Die ersten Angebote seien bereits am Samstag versendet worden, einige Kunden würden noch per Brief angeschrieben. Wie genau diese Wechselangebote aussehen, ließ das Unternehmen aber offen. Zudem, so heißt es von dem Unternehmen, könne man im März übergangsweise beide Modelle erwerben. Auch für das Modell TM5 würde es weiterhin Software-Updates und neue Rezepte geben.
Wer sich vor diesem Stichtag im Februar einen Thermomix angeschafft hat, hat allerdings wohl kaum Möglichkeiten, dem zu widersprechen. Auf Facebook hat sich mittlerweile eine Gruppe gegründet, die überlegt, eine Musterfeststellungsklage gegen Vorwerk anzustreben.
Was genau kann das neue Gerät?
Schon das letzte Modell des Thermomix’ hat zahlreiche Funktionen wie Schneiden, Kochen oder Kneten. Mit dem TM6 kommen laut Hersteller das Sous-vide-Garen, Karamellisieren, Slow Cooking, Fermentieren und Anbraten hinzu. Das neue Gerät soll auf bis zu 160 Grad erhitzt werden können. Außerdem ist das Display mit 6,8 Zoll größer als beim TM5. Künftig kann man direkt hierüber Rezepte suchen und abrufen – das ging bislang nur mittels einem externen Datenträger. Über das herstellereigene Portal „Cookidoo“ sind zudem 42.000 Rezepte für die Maschine abrufbar. Das Luxus-Küchengerät soll 1359 Euro kosten.
Welche Kritik gibt es grundsätzlich an Thermomix?
Die Stiftung Warentest hat schon 2015 Küchengeräte getestet – und den Thermomix abgewertet. Der Grund damals: Das Gerät scheiterte beim Test beim Gurke hobeln und Möhre raspeln. Und er gab beim Wasserrühren 91 Dezibel von sich und war damit so laut, wie eine Waschmaschine. Ob es ähnliche Bedenken auch im Hinblick auf das neue Modell gibt, muss sich erst noch zeigen. Doch Verbraucherschützer haben auch aus anderen Gründen Bedenken: „Man ist komplett auf einen Hersteller angewiesen“, sagt Sabine Holzäpfel. Wer das Rezept-Portal Cookidoo direkt auf den Thermomix übertragen lassen will, müsse diese von Vorwerk beziehen. Auch das Modell, nur über Verkaufsparties an Geräte zu kommen, sei nicht unproblematisch – Interessierte könnten sich unter Druck fühlen oder sich dazu verleitet fühlen, das Produkt zu kaufen. „Man kann auch wunderbar ohne den hochpreisigen Thermomix kochen.“
Unsere Reporterin Lisa Welzhofer ist dem Phänomen Thermomix inklusive Selbsttest nachgegangen. Sehen sie mehr im Video: