Ein Polizist bei der Grenzsicherung in Bayern – die Bewältigung der Flüchtlingskrise macht der Bundespolizei besonders zu schaffen. Foto: dpa

Der CDU-Politiker Friedrich Merz polarisiert mit einer Mahnung vor der Anziehungskraft der Rechtspopulisten auf die Beschäftigten der Sicherheitsbehörden. Kritik und Zustimmung erntet er bei Polizeigewerkschaftern.

Stuttgart - Mit seiner Warnung an die eigene Partei, dass „wir Teile von Bundeswehr und Bundespolizei an die AfD verlieren“, hat sich CDU-Mann Friedrich Merz eine scharfe Replik der Minister Ursula von der Leyen (CDU) und Horst Seehofer (CSU) eingehandelt. Diese Kritik sei „schon vom Ansatz her falsch“, konterte der Innenminister in „Bild“. „Er sollte die Bundespolizei nicht als Trittbrett für seine politische Karriereplanung missbrauchen.“ Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, pflichtet Seehofer bei: „Ich halte nichts davon, über das angebliche Wahlverhalten einzelner Berufsgruppen zu schwadronieren, ohne irgendwelche Belege dafür zu haben“, twittert er. „Mehr als sechs Millionen Wählerstimmen bei der letzten Bundestagswahl für die AfD – daran muss die Union arbeiten, statt Polizei und Bundeswehr mit solchen Behauptungen ins falsche Licht zu setzen“, betont das CDU-Mitglied.

„Man muss sich den Realitäten stellen“

Rückhalt erhält Merz jedoch von Ernst G. Walter, dem Chef der Bundespolizeigewerkschaft. „Ich kann die Merz-Aussage zu 100 Prozent unterstreichen“, sagt er unserer Zeitung. „Das kann ich besser beurteilen als ein Minister, der sich auf den Dienststellen kaum blicken lässt.“ Er halte nichts davon, diese Themen unter den Tisch zu kehren, so wie „Seehofer und andere“ machten. „Man darf nichts beschönigen oder gar verheimlichen, sondern muss sich den Realitäten stellen“, sagt Walter. Auch er sorge sich, „dass die etablierten Parteien den Polizisten keine politische Heimat mehr bieten“. Diese Erfahrung habe er schon vor zwei Jahren bei Gesprächen in Baden-Württemberg gemacht: „Viele sind bereit, das Kreuz bei der AfD zu machen.“

Dieser Trend habe „nichts damit zu tun, dass die Bundespolizisten nicht mehr auf dem verfassungsmäßigen Boden stehen“. Auch Merz unterstelle keinen wachsenden Rechtsradikalismus in den Sicherheitsbehörden. Vielmehr erfüllten die Polizisten weiterhin ihre Pflichten. „Hier geht es darum, ob die Kollegen sich als Wähler noch von den etablierten Parteien vertreten fühlen.“ Das Phänomen gebe es genauso in „bestimmten Landespolizeien“ – womit vor allem Ostdeutschland gemeint ist.

Die Folgen der Flüchtlingskrise

Nach Einschätzung von FDP-Mitglied Walter zeigt es sich in der Bundespolizei aber deutlicher, weil sie von der Flüchtlingskrise stärker betroffen sei. 2015 seien die Kollegen bereit gewesen, den Rechtsstaat an der Grenze zu vertreten, doch die Politik habe dies verhindert. Und bei den Abschiebungen würden „permanent mehr als 50 Prozent der geplanten Rückführungen storniert“. Da sei viel Vertrauen verschwunden. Dass die Politik ihnen nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung stelle, „frustriert Polizisten, die ihren Job gut machen wollen“, sagt Walter. Sie wünschten sich einen „stärkeren Staat“ – eine These, die auch Rainer Wendt vertrete, der die Polizisten mit seinen Büchern doch erst „in diese Ecke hineingetrieben“ habe. Die AfD, so Walter, biete da zwar keine Lösungen an, stelle jedoch die „richtigen Fragen“.

Widerspruch aus Baden-Württemberg

Der baden-württembergische Vorsitzende der DPolG, Ralf Kusterer, räumt zwar eine Enttäuschung in den Sicherheitsbehörden über die Politik ein. „Ich teile aber ausdrücklich nicht die Bewertung, dass die Angehörigen der Polizei und der Bundeswehr deshalb zu großen Teilen zu Wählern und Sympathisanten der AfD mutieren“, sagte er unserer Zeitung. Und er halte die damit verbundene Interpretation, dass solche Angehörige auf dem rechten Auge blind seien, für „fatal“. Sowohl Kusterer als auch Walter gehören der DPolG-Bundesleitung an.

Zuvor hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bestätigt, dass es in den Reihen der Beamten Sympathien für rechtsnationale Parteien gibt. Kusterer verweist auf „Liebeleien der GdP in Baden-Württemberg mit der AfD“, die bundesweit zu erheblichen Diskussionen geführt hätten, erachtet die Einschätzung der Gewerkschaftskonkurrenz aber als wenig fundiert. Nach seinem Kenntnisstand gebe es keine aktuelle Studie zu dem Thema. „Ich halte solche Äußerungen zur politischen Einstellung von Polizeibeamten deshalb für genauso gefährlich wie die rechtsnationalen Parteien selbst.“

„Nicht einmal ansatzweise Sympathien für rechtsnationale Parteien“

Für die DPolG Baden-Württemberg könne er sagen, dass es nach wie vor weder mit der AfD-Fraktion noch mit der Partei Gespräche gebe. „Es gibt null Kommunikation mit der AfD.“ Nach seiner persönlichen Wahrnehmung hege der überwiegende Teil der Polizeibeamten „nicht einmal ansatzweise Sympathien für rechtsnationale Parteien“. AfD-Wähler unter den Polizisten des Landes seien demnach die „kleinste Minderheit“ – und kaum messbar sei die Zahl der Beamten, die sich in der AfD engagierten. Die Polizisten im Land stünden auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sagt der Landesvorsitzende. „Wenige Beschäftige, die diesen Pfad verlassen, werden mit aller Konsequenz aus dem Dienst entfernt – und das ist gut so.“

Der Bundeswehr-Verband wollte zu den Äußerungen von Merz am Montag nicht Stellung nehmen.