Die Justiz im Südwesten verteilt auf recht undurchsichtige Weise Geld für gemeinnützige Zwecke Foto: dpa

Wird ein Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt, kann die Justiz weitgehend frei entscheiden, wohin das Geld fließt. Dieses Verfahren gerät zunehmend in die Kritik.

Wird ein Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt, kann die Justiz weitgehend frei entscheiden, wohin das Geld fließt. Dieses Verfahren gerät zunehmend in die Kritik.

Stuttgart - Etwa 20 Millionen Euro haben Richter und Staatsanwälte im Land jedes Jahr zu verteilen. Dabei handelt es sich um Geldauflagen, gegen deren Zahlung ein Strafverfahren gegen einen Beschuldigten eingestellt oder aber jemand begnadigt wurde. Im Südwesten geht das Geld meist an gemeinnützige Vereine, die dabei bestimmte Bedingungen erfüllen müssen, was Transparenz und Rechenschaft angeht.

Mit der eigenen Transparenz ist es bei der Justiz hingegen nicht weit her: Bis heute haben nicht einmal die Richter einen Überblick, welcher Verein unterm Strich wie sehr von ihren Geldauflagen profitiert. Die Gelder gezielt breit zu streuen, damit möglichst viele davon profitieren, ist damit unmöglich.

Am gerechtesten wäre es, wenn der Staat und damit alle Steuerzahler das Geld bekommen würden. Das findet zumindest der Landesrechnungshof. In ihrer Denkschrift 2014 monieren die Kontrolleure des öffentlichen Finanzgebarens aus Karlsruhe, dass beispielsweise im Jahr 2011 nur 24 Prozent der Geldauflagen im Südwesten an den Staat gingen. Damit liege das Land weit unter dem Länder-Schnitt von 41 Prozent.

Statt 9,2 Millionen kamen nur 5,4 Millionen an

Hätte die Justiz in Baden-Württemberg den Staat beim Verteilen der Geldauflagen ähnlich stark bedacht wie im bundesweiten Durchschnitt, rechneten die Prüfer vor, wären dem Land allein im Jahr 2011 nicht nur 5,4 Millionen Euro zugeflossen, sondern 9,2 Millionen. Nach den jüngsten Zahlen ist der Staatsanteil an den Geldauflagen sogar auf 17,5 Prozent gesunken: Von den rund 16 Millionen Euro, die 2013 verteilt wurden, gingen nur 2,8 Millionen Euro in die Landeskasse.

Das Justizministerium verteidigt sich damit, dass es wegen der richterlichen Unabhängigkeit nur sehr begrenzt Einfluss auf solche Entscheidungen nehmen könne. Dem wiederum hält der Rechnungshof entgegen, dass knapp ein Drittel der Geldauflagen von den Staatsanwaltschaften festgesetzt werde, das Land also sehr wohl den Staatsanteil erhöhen könne Gegenüber den Staatsanwaltschaften hat Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) nämlich ein Weisungsrecht.

Bundesweit schwankt der Staatsanteil an den Geldauflagen stark. Laut Rechnungshof gibt es Bundesländer, in denen rund 70 Prozent der Einnahmen an den Staat fließen. Der niedrigste Anteil unter den ingesamt zehn Bundesländern, von denen der Rechnungshof eine Übersicht erhielt, liegt bei 13 Prozent. Eine besonders staatsfreundliche Entscheidung, die allerdings auch heftig kritisiert wurde, traf kürzlich das Landgericht München im Verfahren gegen Formel-1--Boss Bernie Ecclestone. Die 77 Millionen Euro, die der Milliardär für das Einstellen des Bestechungsprozesses zahlte, gingen zu 99 Prozent an den Staat. Nur ein Prozent kam gemeinnützigen Zwecken zu gute.

Künftig soll es mehr Transparenz geben

Was die Transparenz angeht, will das Justizministerium in Stuttgart den Empfehlungen des Rechnungshofes Folge leisten. Künftig sollen alle Richter und Staatsanwälte halbjährlich einen Überblick darüber erhalten, welche Einzelempfänger in ihrem Bezirk mit wie viel Geld bedacht wurden. Bei den Staatsanwaltschaften sei die Informationspflicht im Erlasswege bereits umgesetzt, so das Ministerium. Was die Richter angehe, so würden die technischen Voraussetzungen dafür nach und nach geschaffen. Schätzungsweise im Jahr 2016, so die Ministeriumssprecherin, werde dann auch eine regelmäßige Unterrichtung der Richter flächendeckend möglich sein.

Wenn die Technik steht könnten – zumindest theoretisch – auch alle Bürger sich mal anschauen, welche Vereine im Südwesten von den Geldauflagen profitieren. Bislang weist das Justizministerium nur ein paar wenige, justiz nahe Organisationen namentlich aus, der große Rest wird nur anonym in Rubriken wie „Opferhilfe“ oder „Rettungsdienste“ abgehandelt – offenbar auch deshalb, weil man keinen Überblick hat.

Andere Bundesländer sind da längst weiter, wie der Journalist Jonathan Sachse in Erfahrung gebracht hat. Aufgrund seiner Initiative gibt es seit wenigen Tagen eine Datenbank im Internet, die alle bislang bekannten Profiteure des Geldauflagen-Systems in Deutschland erfasst. Nordrhein-Westfalen hat immerhin eine Landesliste, in Bayern werden solche Listen nach Bezirken geführt.

In der Datenbank auf der Recherche-Website www.correctiv.org könne jeder, der Interesse hat, nach Auffälligkeiten suchen, sagt Sachse. Er spielt damit auf bekannt gewordene Fälle von Missbrauch und Mauschelei an – wenn etwa einzelne Richter Geldauflagen den Vereinen von guten Bekannten oder Familienmitgliedern zukommen ließen. Der deutsche Richterbund sieht die Datenbank kritisch: Mit dem Projekt werde ein Generalverdacht gegenüber den Richtern aufgebaut, heißt es.