Künftig können Realschulen im Land die Schüler nach Leistungsniveau in den Klassen verteilen. (Symbolfoto) Foto: dpa

Künftig können Realschüler im Südwesten in Klassen je nach Leistungsniveau verteilt werden. Laut Kultusministerin Eisenmann könne so besser auf die Unterschiedlichkeit der Schüler reagieren werden.

Stuttgart - Die Realschulen in Baden-Württemberg werden künftig deutlich mehr Freiraum für leistungsgerechte Förderung ihrer Schüler haben. Ob differenzierter Unterricht innerhalb der Klasse, in Gruppen oder gar in Klassen - die Schulen erhalten für all dies deutlich mehr frei verfügbare sogenannte Poolstunden. „Wir geben den Realschulen viel Verantwortung in die Hand“, betonte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Dienstag in Stuttgart. „Das Ziel ist mehr Leistung und Qualität.“ Bislang war es nur möglich, in den Klassen 7 und 8 innerhalb einer Klasse in den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch zu differenzieren.

Das Kabinett gab das neue Konzept von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Dienstag zur Anhörung frei. Die Schulart werde gestärkt, damit sie besser auf die wachsende Unterschiedlichkeit der Schüler reagieren könne, erläuterte Eisenmann.

Abschied vom Zwei-Säulen-Modell

Mit dem Bekenntnis von Grün-Schwarz zur Realschule als Säule des Bildungs- und Wirtschaftssystems wird auch ein heimlicher Abschied von dem grün-roten Zwei-Säulen-Modell von Gymnasium und integrativer Schule, sprich Gemeinschaftsschule, markiert. Die Realschulen haben sich nicht wie erwartet in Gemeinschaftsschulen gewandelt. Stattdessen ist die große Mehrheit der 299 Gemeinschaftsschulen im Land aus Haupt- und Werkrealschulen hervorgegangen. Für das kommende Schuljahr liegen dem Kultusministerin gerade einmal zwei Anträge von Haupt-/Werkrealschulen auf Genehmigung einer Gemeinschaftsschule vor.

Eisenmann und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonten, die Schulstrukturdiskussion müsse endlich abgeschlossen werden. Seine Vision gelte der Verbesserung der Unterrichtsqualität, betonte der Regierungschef. Mit seiner Aussage: „Qualität vor Struktur“ habe er den grün-roten Weg beendet, meinte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart. Die Pläne sicherten, dass die Betriebe sich auf bestens vorbereitete Absolventen der Realschule verlassen könnten.

Eisenmann wies darauf hin, dass das Kabinett zugestimmt habe, den Landesrechnungshof mit einer Begutachtung des Lehrereinsatzes zu beauftragen. Zwar habe Baden-Württemberg eine im Bundesvergleich glänzende Lehrer-Schüler-Relation. Aber: „Viel hilft halt nicht immer viel.“

GEW sieht die Pläne positiv

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht die Pläne positiv. „Weil sich Eltern immer mehr für die Realschule und gegen die Haupt- und Werkrealschule entscheiden, wechseln verstärkt schwächere Schüler auf die Realschule“, sagte Landeschefin Doro Moritz. Dafür sei aber auch eine bessere und mehr Fortbildung nötig. Die Pädagogen seien nicht ausreichend auf die neuen Herausforderungen vorbereitet. Auch die FDP unterstützt das Konzept im Grundsatz. Dass das Sitzenbleiben nach Klasse fünf abgeschafft werde, sei ein „grüner Kratzer“.

Um das Konzept umzusetzen, sollen die den Schulen frei verfügbaren Poolstunden von derzeit 8 stufenweise bis zum Schuljahr 2020/2021 auf 20 erhöht werden, wie Eisenmann berichtete. Im Endausbau erfordern die Neuerungen 618 Lehrerstellen. Im Etat 2017 sind bereits 257 Lehrerstellen für die erste Erweiterung auf 13 Poolstunden verankert. Am Ende sollen es 20 sein. Das ist die zusammengerechnete Zahl aller Poolstunden, von denen ein Schüler verteilt über seine gesamte Zeit an der Schule wöchentlich profitieren kann.

Die 20 Poolstunden kommen zur Hälfte den Schulen direkt zugute, zur Hälfte werden sie von den Schulämtern an die Schulen nach Kriterien wie Größe der Schule oder Migrationshintergrund der Schüler verteilt.

Im Detail ist eine Orientierungsstufe mit der fünften und sechsten Klasse vorgesehen. Dort wird auf Realschulniveau unterrichtet. Am Ende der Klassen sieben und acht werden aufgrund der Noten die Weichen hin zur Mittleren Reife oder zum Hauptschulabschluss gestellt, wobei ein Wechsel zwischen den Leistungsstufen weiter möglich ist. In Klasse neun und zehn wird gezielt auf den Hauptschul- oder Realschulabschluss vorbereitet.