Klettern ohne hohe Berge: An der Elly-Heuss-Knapp-Realschule in Ludwigsburg gibt es jetzt eine Boulderwand.
Das Lächeln des Herrn Bürgermeisters wirkt ein klein bisschen gequält. Kein Wunder: Sebastian Mannl hängt schon ein Weilchen in der neuen Boulderwand auf dem Hof der Elly-Heuss-Knapp-Realschule in Ludwigsburg und schaut in die Objektive der Fotografen. Dann sagt der Ludwigsburger Schultes sinngemäß: genug jetzt, das Klettern sein nämlich ganz schön anstrengend. Neben dem Bürgermeister für Mobilität, Sicherheit und Tiefbau klettert Valentin Kling. Der stellvertretende Elly-Schülersprecher hat ganz offenkundig ein klein bisschen mehr Übung. Das Duo nimmt an diesem strahlend schönen Freitagvormittag die nagelneue überdachte Kletterwand mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden höchst offiziell in Betrieb.
Schüler weg von den Bildschirmen bekommen
Ulrike Schmidtgen, die Leiterin des Fachbereichs Tiefbau und Grünflächen bei der Stadtverwaltung, sagt, das Ziel sei es, Kinder und Jugendlichen zumindest zeitweise wegzubekommen von den Computerbildschirmen. Die Rektorin Heidrun Gross erklärt mit Blick auf Corona: „Ich hätte es gut gefunden, wenn Sport an den Schulen mehr Bedeutung gehabt hätte.“
Während der Pandemie war viel Sportunterricht ausgefallen. Die Schulleiterin sagt im Rückblick und womöglich auch in Richtung Zukunft: Auch Sportlehrer könnten ihren Schülern Aufgaben für zuhause aufgeben. Einzelne Pädagogen hätten das getan, allerdings nur auf Eigeninitiative.
Boulderwand bringt Kinder in Bewegung
Der Präsident des Sportkreises Ludwigsburg, Matthias Müller, erklärt auf Anfrage dieser Zeitung und mit Blick auf die neue Boulderwand: Bewegung sei „gerade jetzt“ wichtiger denn je. Seit dem Beginn der Pandemie „lagen viele Sportaktivitäten der Vereine, Schulen und Kindergärten wegen der Beschränkungen auf Eis“. Die Boulderwand ermögliche es, Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen und auf diese Weise womöglich auch für die Vereine zu gewinnen.
Nutzung digitaler Medien stark gestiegen
Der Stadtverband für Sport und seine erste Vorsitzende Petra Kutzschmar teilt mit: „Alles, was Kinder in Bewegung bringt und hält, ist gut.“ Der Württembergische Landessportbund (WLSB) erklärt auf Anfrage: „Die knapp 5700 Sportvereine in WLSB haben in den zwei Pandemiejahren etwa 34000 Kinder bis 14 Jahre verloren.“ Wissenschaftler hätten während des Lockdowns und danach bei Kindern und insbesondere bei Jugendlichen beobachtet, das die Nutzung digitaler Medien stark gestiegen ist, weit mehr Schüler seien in den Kinder- und Jugendpsychiatrien gelandet, der Anteil der Übergewichtigen sei gestiegen.
Sport und Bewegung seien „von großer Bedeutung für die körperliche, geistige und psychische Entwicklung von jungen Menschen“. Schon vor Corona hätten sich viele junge Menschen zu wenig bewegt. „Darum ist es gerade jetzt wichtig, dass nicht noch mehr Kinder und Jugendliche in die Bewegungsarmut abrutschen“, so der WLSB-Sprecher Thomas Müller. Laut Auskunft der Deutschen Kinderturnstiftung gibt es mehrere Untersuchungen zu den Auswirkung der Coronapandemie auf das Bewegungsverhalten von Kindern „mit alarmierenden Resultaten“.
Kletterwand hat rund 50 000 Euro gekostet
Die Inbetriebnahme der neuen Kletterwand, die die Stadt rund 50 000 Euro gekostet hat, ist schnell beendet. Der Schülersprecher erklärt noch, dass das neue Gerät während der Pausen bereits gut angenommen werde. Und die Schulleiterin sagt, dass die Boulderwand nach Schulschluss von jedermann und jederfrau genutzt werden dürfe. Valentin Kling hat dann noch einen Wunsch: Eine Slackline für den Schulhof.
Sportlich, sportlich
Sport und Bewegung haben laut Ministerium für Kultus, Jugend und Sport „eine herausragende integrative, gesundheitliche und soziale Bedeutung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen“, so das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Deshalb habe das Ministerium mehrere Programme aufgelegt, etwa das Corona-bedingte Sofortprogramm zur Förderung der Schwimmfähigkeit mit einem Volumen von etwa zwei Millionen Euro, das ungefähr 41500 Kinder erreicht habe. Das Landesprogramm Lernen mit Rückenwind fördere „ein breites Spektrum an Maßnahmen“ an den Schulen, auch im Bereich des Sports, darunter Klettern und Bouldern.