Die türkische Tageszeitung „Star“ bezeichnet Jan Böhmermanns Schmähkritik als eine „Pornofantasie“. Foto: dpa

Das umstrittene Gedicht von Jan Böhmermann über Recep Tayyip Erdogan hat auch in den türkischen Medien Wellen geschlagen. Zeitungen empfinden das Gedicht beleidigend „für die Nation“ und bezeichnen es als „Pornofantasie“.

Stuttgart - Mit dem umstrittenen Gedicht über Recep Tayyip Erdoğan wollte Jan Böhmermann in seiner Late-Night-Show Neo Magazin Royale eigentlich zeigen, was die Unterschiede zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik sind. Aber davon will der türkische Präsident nun nichts wissen und hat, wie die Staatsanwaltschaft am Montagabend bekannt gab, einen Strafantrag gegen den Satiriker gestellt.

Auch in den türkischen Tagszeitungen ist die Empörung groß. Insbesondere die regierungsnahen Medien finden deutliche Worte. In dem Artikel mit dem Titel „Hat die deutsche Kultur diesen Humor hervorgebracht?“ schreibt die Tageszeitung Star, die zur Turkuvaz Mediengruppe gehört – einem AKP-nahen Medienhaus: „Das, was als Humor bezeichnet wird, ist lediglich eine widerwärtige Pornofantasie.“ Die Medien in Deutschland bezeichneten diese „Erniedrigung“ als Satire und sprächen von Pressefreiheit, um die Sache ad acta zu legen. „Das, was Jan Böhmermann getan hat, kann nicht Teil der deutschen Kultur sein“, so die Star.

Bizarre Szenen vor dem Mainzer ZDF-Gelände

Auch die Takvim, ebenfalls Teil der Turkuvaz Mediengruppe, zeigt sich entrüstet und bezeichnet Böhmermann als einen „unverschämten TV-Moderator“, der „nicht zu duldende Ausdrücke in den Mund genommen hat.“ In demselben Artikel greift die Zeitung auch den Auftritt eines ihrer Reporters, Mevlüt Yüksel, auf. In der TV-Sendung Yaz Boz des türkischen Nachrichtensenders A Haber wollte Yüksel vom ZDF-Gelände in Mainz berichten, erhielt aber vor Ort keine Drehgenehmigung. Aufgeregt beschreibt er vor den Toren des ZDF, wie unfreundlich und respektlos sein Fernsehteam von den Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Senders behandelt worden sei.

Offenbar meint er damit Alexander Stock, Pressesprecher des ZDF, der sich im Hintergrund gelassen mit einem Übersetzer unterhält. „Er hat die Hände in den Taschen, spricht, als würde er uns beleidigen“, empört sich Yüksel, „Seht, wo die Pressefreiheit in Deutschland einzuordnen ist. Sie beleidigen und beschimpfen die Türkei, unseren Präsidenten, unser Volk, und stehen hier nun vor uns. Auf unhöflichste Art und Weise.“ Die Takvim nimmt den Reporter in Schutz und moniert, dass die Deutschen, die der „ganzen Welt die Lüge der Pressefreiheit auftischen“, offenbar nichts mehr davon hielten, sobald es um sie selbst gehe.

„Überall auf der Welt gilt so etwas als Schuld“

Ähnlich deutliche Worte findet die europäische Ausgabe der AKP-nahen „Sabah“, die in der Türkei mit einer Auflage von mehr als 300.000 Exemplaren zu den größten Tageszeitungen gehört. In der deutschen Geschichte hätte es noch nie ein derartiges Hass-Gedicht gegeben, „auch wenn es unter der Rubrik ‚Satire’ veröffentlicht wurde. Damit wird nicht nur der türkische Präsident Erdogan beleidigt, sondern eine ganze Nation. Mit Meinungsfreiheit hat das nichts mehr zu tun“, übersetzt der Deutschlandfunk aus der Sabah.

Unterdessen äußerte sich auch der Pressesprecher des türkischen Präsidenten, İbrahim Kalın, zum Fall Böhmermann: „Solche Beleidigungen und unanständigen Ausdrücke, die den Präsidenten und gar ein Volk zum Ziel nehmen, haben nichts mit Meinungs- oder Pressefreiheit zu tun“, wird er in der „Sabah“ zitiert. Überall auf der Welt gelte so etwas als Beleidigung, als Schuld.

Während die regierungsnahen Zeitungen deutlich Partei beziehen, schlägt die regierungskritische Cumhuriyet eher moderatere, sachliche Töne an und beleuchtet vielmehr Angela Merkels Rolle in der Schmähkritik-Debatte. Unter dem Titel „Die Prüfung der Kanzlerin“ schreibt die linksliberale Tageszeitung: „Merkel ist in der Zwickmühle.“ Wenn sie in dem Streit um die Schmähkritik von Böhmermann nachgebe, werde der Unmut in der Bevölkerung, der ohnehin schon wegen ihrer Flüchtlingspolitik und dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei groß sei, noch weiter wachsen. Andererseits: Wenn sie sich gegen Erdogan und die türkische Regierung stellt, auf die sie in der Flüchtlingskrise angewiesen ist, werde sie den Ärger Ankaras auf sich ziehen.