Die Ausschreitungen in Washington haben auch viele Amerikaner in Stuttgart und Region verfolgt. Foto: dpa/Carol Guzy

„Schockiert, aber nicht überrascht“, zeigen sich Amerikaner aus Stuttgart und der Region über die Ausschreitungen in Washington. Viele haben die Nacht vor dem Fernseher verbracht. Bei den Demokraten sorgen vor allem die Nachrichten aus Georgia für Erleichterung und Freude.

Stuttgart/Washington - Es ist eine kurze Nacht für Alexander Troy gewesen. Statt im Bett zu liegen, hat er fern gesehen – immer wieder die gleichen Bilder vom Sturm des Kapitolsin Washington. „Geschockt, aber nicht überrascht“ sei er, sagt der 44-jährige Englischlehrer – genau diese Worte werden die meisten amerikanischen Gesprächspartner so wählen.

Trump sei verantwortlich für die Ausschreitungen. „Der Führer dieses Aufmarsches war der Präsident“, betont Troy, der mit Sorge auf sein Land blickt und die Tage bis zur Amtseinführung Joe Bidens zählt. Der 6. Januar habe aber auch gute Nachrichten gebracht, die ihm „Hoffnung machen“. Troy hatte von Stuttgart aus geholfen, im Bundesstaat Georgia Wähler zu mobilisieren – die demokratischen Kandidaten Jon Ossoff und Raphael Warnock konnten die Stichwahl um den Senatorenposten jeweils für sich entscheiden.

Impeachment würde verhindern, dass Trump nochmal antreten kann

Das historische Ergebnis in Georgia hätte die Schlagzeilen bestimmen müssen, findet denn auch die Englisch-Dozentin Cindy Halbert-Seger. Sie hatte an Dreikönig Geburtstag. Die Siege der Demokraten in Georgia sind für sie „das beste Geschenk“ gewesen. Zu den „schrecklichen“ Bildern aus Washington sagt die 61-jährige Ludwigsburgerin: „Das ist nicht repräsentativ, wie wir Amerikaner sind.“ Die Republikaner müssten sich jetzt entscheiden – ob sie für Trump oder für die Demokratie seien. Sie erwartet eine Spaltung der „Grand Old Party“. Denn nun müsse sich jeder positionieren. Was Trumps Zukunft angeht, setzt Cindy Halbert-Seger darauf, dass er im Gefängnis landet. Sie ist – wie auch Alexander Troy – dafür, dass erneut ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eröffnet wird.

Sasha Arrington vom Stuttgart-Chapter der Democrats Abroad Germany wünscht sich dieses ebenfalls. Einmal „impeached“ könnte Trump in vier Jahren nicht noch einmal bei der Präsidentschaftswahl antreten. „Fassungslos“ hat auch die 47-jährige Soziologin die Nacht über vor dem Fernseher gesessen – fassungslos darüber, dass die Sicherheitskräfte es überhaupt so weit kommen gelassen haben. Bei den „friedlichen Black-Lives-Matter-Protesten“ seien diese schließlich ganz anders aufgetreten.

Die Tage bis zu Bidens Amtseinführung, meint Arrington, sollte Trump noch absitzen dürfen. Würde er zuvor abgesetzt, befürchtet sie, könnte Vizepräsident Mike Pence Trump noch begnadigen. „Ich freue mich auf den 20. Januar“ – gerade mit Kamala Harris verbindet die Kalifornierin und Stuttgarterin Arrington viele Hoffnungen: „Sie ist eine Powerfrau.“

Auf verschiedenen Kanälen die Ausschreitungen verfolgt

Der Lehrer Michael Davis stammt auch aus Kalifornien. Er hat die Ausschreitungen aus verschiedenen Perspektiven verfolgt: auf CNN, Fox News, Al Jazeera, Russia Today. Auch er musste bei den Bildern an den Kontrast zu den vielen hochgerüsteten Sicherheitskräften bei den Black-Lives-Matter-Protesten denken. Im Vergleich dazu habe es gewirkt, als hätte die Polizei die Ausschreitungen der Trump-Anhänger „praktisch zugelassen“. Das habe ihn „wütend“ gemacht. Davis ist dafür, Präsident Trump schnell abzusetzen. Er glaubt nicht, dass eine Begnadigung durch Pence die Folge wäre: „Pence ist beleidigt“.