Den Fortgang der Bauarbeiten am Tiefbahnhof wird Rüdiger Grube nun nicht mehr mitfeiern. Foto: imago stock&people

Mit Bahnchef Rüdiger Grube geht nach Volker Kefer ein weiterer Bahnmanager von Bord, dessen Name eng mit dem umstrittenen Projekt Stuttgart 21 verknüpft ist. Während Projektgegner sich vom Nachfolger ein Einlenken erhoffen, sehen Politiker keinerlei Auswirkungen auf Kosten- und Zeitplan der Bauarbeiten.

Stuttgart - Für die Stuttgart-21-Gegner ist der Montag ein Fixtermin im Kalender: Dann treffen sich die unermüdlichen und unverzagten Kritiker vor dem Bahnhof oder auf dem Schlossplatz zur wöchentlichen Montagsdemo. Den gestrigen Montag werden sich viele von ihnen im Kalender rot anstreichen: es war der Montag, an dem Bahnchef Rüdiger Grube Knall auf Fall seinen Rücktritt erklärte – aus Ärger über die Konditionen des Bahnaufsichtsrats für seine Vertragsverlängerung. Für die Parkschützer, die selbst ernannte Speerspitze des Widerstands gegen den umstrittenen Tiefbahnhof, ist damit zum wiederholten Mal auch das Ende des Bahnprojekts besiegelt: „Rüdiger Grube stand für Stuttgart 21, mit seinem Rücktritt ist auch S21 am Ende“, jubilierten die Aktivisten im Internet. Sie setzen ihre Hoffnungen auf Grubes Nachfolger. Ein neuer Bahn-Chef sei nun „frei in der Bewertung des milliardenteuren, verlustreichen und gefährlichen Prestigeprojekts, das im Aufsichtsrat der Bahn nur noch wenig Freunde hat“.

Fakt ist: Mit Rüdiger Grube geht nach dem für Stuttgart 21 hauptverantwortlich zeichnenden Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer innerhalb von sieben Monaten nun bereits der zweite Bahnmanager von Bord, dessen Name eng mit dem Projekt verbunden ist. Freilich: schon nach Grubes Amtsantritt im Mai 2009 hatten viele Projektgegner gehofft, der neue Mann werde das von seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn geerbte milliardenteure Vorhaben nochmals überdenken. Zwar gab sich der ehemalige Daimlermanager im Ton zunächst konzilianter als sein Vorgänger und ließ durchaus sein Missfallen erkennen, dass die Finanzierungsvereinbarung kurz vor seiner Bestallung zum Bahnchef unterzeichnet worden war. Später wurde er sogar mehrfach zitiert, er hätte Stuttgart 21 unter diesen Bedingungen nicht gemacht.

Grubes Auftritt bei der Montagsdemo bleibt in Erinnerung

Doch in der Sache blieb Grube hart. Der „ehrbare hanseatische Kaufmann“, als den er sich selbst charakterisierte, trieb das Projekt unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Vertragstreue weiter voran. Daran änderte auch nichts, dass er – anders als sein Vorgänger – durchaus auch den Dialog mit den Gegnern suchte. So enterte er im Januar 2010 auf dem Weg zu einer öffentlichen Veranstaltung spontan das Podium einer Montagsdemo vor dem Bahnhof, um – eskortiert vom Urvater der Protestbewegung, Gangolf Stocker – zu der buhenden und pfeifenden Menschenmenge zu sprechen.

Doch auch Grube hat die Komplexität und Kosten des Tunnelbahnhofs unterschätzt. 4,5 Milliarden Euro seien für ihn die „Sollbruchstelle“, eine andere Zahl werde er nie akzeptieren, erklärte er in einem Zeitungsinterview Ende 2009. Im März 2013 dann der Offenbarungseid: Der Aufsichtsrat der Bahn beschloss auf Vorschlag des Bahnvorstands, den Finanzierungsrahmen auf bis zu 6,5 Milliarden Euro zu erweitern. Entsprechende Klagen gegen die Projektpartner Stadt und Land auf Beteiligung an den Mehrkosten sind wie berichtet derzeit anhängig.

OB Fritz Kuhn (Grüne) spricht von „Chaos-Festspielen“ bei der Bahn

Dass der Nachfolger Grubes die Notbremse ziehen und auf ihr Konzept „Umstieg 21“ umschwenken könnte, diese Einschätzung bleibt freilich den Projektgegnern exklusiv vorbehalten: In ersten Reaktionen auf den Rücktritt Grubes überwog Überraschung und Bedauern; dass ein neuer Bahnchef Stuttgart 21 auf Eis legen könnte, halten Politiker aber für unwahrscheinlich: „Wir gehen davon aus, dass auch der neue Bahn-Chef das für Land und Stadt so bedeutende Projekt vorantreibt und zu einem guten Ende bringt“, erklärten etwa der CDU-Fraktionschef im Landtag, Wolfgang Reinhardt und die Verkehrsexpertin der Fraktion Nicole Razavi. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rathaus, Alexander Kotz, sieht ebenso wenig wie sein SPD-Kollege Martin Körner Auswirkungen auf Kosten- und Zeitplan von S 21. „Die Bahn hat doch schon die Hälfte der Tunnel gebohrt“, so Körner.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erwartet nach dem Rücktritt von Bahn-Chef Rüdiger Grube keine Änderungen beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 kommt. „Dieses wird von der Projektgesellschaft der Deutschen Bahn gesteuert“, sagte Hermann der „Heilbronner Stimme“ und dem „Mannheimer Morgen“ (Dienstagsausgabe). „Der Rücktritt von Grube war in der Form überraschend, das Gerangel um einen Nachfolger zieht sich aber schon länger hin. Offenbar hat er die Reißleine gezogen.“

Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) blieb zunächst stumm. Stuttgarts OB Fritz Kuhn war weniger zurückhaltend: „Das sind Chaos-Festspiele. Der Aufsichtsrat - und damit letztlich der Bund- muss die Führungsfrage rasch klären. So kann es ja nicht weitergehen.“ Der Kommentar aus der Pressestelle des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm fiel extrem karg aus: Man bitte um Verständnis dafür, dass „das Ausscheiden von Dr. Grube als Vorstandsvorsitzender von der Deutschen Bahn AG derzeit nicht kommentiert wird“.