Die Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät unter Druck: Die Parteien in Baden-Württemberg sehen die Schuld für die Pleite in Hessen bei der Regierung in Berlin. Foto: AP

CDU und SPD sind die Wahlverlierer in Hessen. Ihre Parteifreunde im Südwesten machen dafür vor allem die Politik der großen Koalition in Berlin verantwortlich.

Stuttgart - „Der Glaube, im Bund liefe alles gut, nur würden viele Wähler das nicht verstehen, ist nach Hessen und Bayern widerlegt. Es geht gerade um nicht weniger, als die Existenz der großen Sozialdemokratie. So geht es nicht weiter.“ Lars Castellucci, SPD-Bundestagsabgeordneter und Herausforderer von SPD-Landeschefin Leni Breymaier, reagiert am schnellsten auf den Absturz seiner Partei bei den hessischen Landtagswahlen – die SPD ist von über 30 auf unter 20 Prozent gerutscht. Die SPD Baden-Württemberg solle einen Parteikonvent verlangen, um zu klären, „wovon wir die Fortsetzung der Großen Koalition abhängig machen.“ „Das ist kein hessisches Ergebnis, das ist ein Bundesergebnis“, erklärt Landeschefin Breymaier. „Die Parteien, die die Bundesregierung tragen, haben viel Vertrauen verspielt. In dieser Woche müssen wir intern klären, wie dieses Vertrauen zurückgewonnen werden kann und welche Konsequenzen aus den jüngsten Wahlergebnissen gezogen werden.“

„Nackenschlag“ für die CDU

Auch die Südwest-CDU ist ernüchtert über die Verluste der CDU in Hessen von über zehn Prozent. „Für meine Partei ist dieses Ergebnis erneut ein schwerer Nackenschlag. Das ist ein Preis, den wir für die Berliner Aufführungen der vergangenen Wochen und Monate zahlen“, sagt CDU-Landeschef Thomas Strobl. „Deutlicher kann die Bevölkerung nicht mehr sagen, dass es so nicht weiter geht. Die Berliner Koalition muss sich schnell, sehr schnell, sehr umfassend am Riemen reißen. So geht es nicht weiter.“ „Schmerzlich“ empfindet auch CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart das Ergebnis: „Es hat sich erneut gezeigt, dass die in Berlin regierenden Parteien in der Großen Koalition die Ursachen sind, dass viele Wähler der Berliner Politik erneut einen Denkzettel verpassen wollten. Die Entwicklung der Landtagswahlen 2016, der Bundestagswahl 2017 und der Landtagswahl vor zwei Wochen in Bayern hat sich mit gleichen Ursachen fortgesetzt.“

Feierstimmung bei den Grünen

Feierlaune herrscht hingegen bei den Grünen im Südwesten, deren Parteifreunde in Hessen ihren Stimmenanteil fast verdoppelt haben – auf beinahe 20 Prozent. „Dieses starke Ergebnis ist ein klares Votum für Vernunft statt Populismus, für Leidenschaft statt Verzagtheit, für Fortschritt statt Stillstand“, erklärten die Grünen-Vorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand: „Es ist ein klarer Auftrag dafür, dass starke Grüne in der nächsten Landesregierung weiter für echten Klimaschutz und den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft arbeiten sollen. Gerade in bewegten Zeiten braucht es Mut zum politischen Standpunkt und zum politischen Handeln. Wir Grüne wollen mit Vernunft und Leidenschaft eine ökologische, gerechte und moderne Gesellschaft gestalten – das ist unser politischer Kompass.“

AfD erwartet turbulente Tage

„Ich bin sicher, dass uns gleichermaßen interessante wie turbulente Tage und Wochen bevorstehen, die die politische Landschaft in Deutschland nachhaltig verändern werden!“, erklärte AfD-Landtagsfraktionschef Bernd Gögel. Künftig ist die AfD, die in Hessen über 12 Prozent holte, in allen Länderparlamenten vertreten. „Es ist ein Trugschluss, die Wahl in Hessen mit den für die Altparteien katastrophalen Verlusten allein auf landespolitische Themen zu reduzieren – mit ihrer Stimmabgabe haben die Wähler in Hessen wie schon vor zwei Wochen in Bayern der Großen Koalition in Berlin eine derbe Abfuhr erteilt, die ein Weiter so des notdürftig zusammengeschusterten schwarz-roten Bündnisses auf Bundeseben kategorisch ausschließen sollte.“