Die Spitzenverbände sehen keine Signale für einen Aufbruch – Enttäuschung über den Koalitionsvertrag herrscht auch im Südwesten.

Stuttgart - Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) übt heftige Kritik am Verzicht auf Steuerentlastungen für die Unternehmen. Die Koalitionspartner müssten dies „nochmals überdenken“, forderte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Schließlich hätten wichtige Wettbewerber wie die USA angekündigt, ihre Unternehmen deutlich zu entlasten.

Der Vertrag schwäche die internationale Wettbewerbsfähigkeit und sei eine „unverantwortliche Belastung der jungen Generation“, meinte der Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer. Verglichen mit den Ergebnissen der Sondierungsgespräche stelle er aus Sicht der Wirtschaft „eine dramatische Verschlechterung“ dar. Als „noch scheußlicher als erwartet“ bezeichnete Oliver Zander, der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, die Vereinbarung.

Die Kostenbelastung für die Unternehmen steige weiter

Auch die südwestdeutsche Wirtschaft kritisiert den Koalitionsvertrag. „Wir hätten uns ein deutlich stärkeres Aufbruchsignal für den Wirtschaftsstandort Deutschland gewünscht“, sagte Dietrich Birk, der Geschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA. Zusammen mit dem jetzt vereinbarten Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie steige die Kostenbelastung für die Unternehmen weiter. Zu Einschränkungen bei der „sachgrundlosen Befristung“ von Arbeitsverträgen meinte Birk, die bisherigen Regelungen würden „sachgrundlos dem Koalitionsfrieden geopfert“.

„Die Frage, wie Deutschland durch Investitionen und Innovationen modernisiert werden kann, kommt in dem Koalitionsvertrag viel zu kurz“, sagte Peer-Michael Dick, der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Baden-Württembergischen Arbeitgeberverbände. Statt dessen gebe es mit der geplanten Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung einen „teuren Rückschlag für die Unternehmen“.

Ärger über Verzicht auf steuerliche Entlastungen

„Wir bedauern den Verzicht auf eine Steuerreform“, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, Johannes Schmalzl. Positiv sei dagegen, dass die künftige Bundesregierung auf Fahrverbote verzichten wolle und auch ein klares Bekenntnis zur Kammerorganisation abgelegt habe. Der Verzicht auf steuerliche Entlastungen wird auch vom Handwerk kritisiert. „Der Solidaritätszuschlag muss komplett gestrichen werden“, forderte Handwerkspräsident Rainer Reichhold. Martin Kunzmann, der Landesvorsitzende des DGB, vermisst „mehr Mut, auch für schlechte Zeiten vorzusorgen“. Bei Rente, Krankenversicherung und Klimazielen „springen die potenziellen Koalitionäre zu kurz“.