Qualmende Auspuffe: Solche Bilder dürfte es mittelfristig auf europäischen Straßen nicht mehr geben. Foto: imago//Felix Zahn

Die Reaktionen auf das Verbrenner-Aus von 2035 an fallen sehr unterschiedlich aus. Doch eines steht fest: Die Industrie steht vor einer gewaltigen Herausforderung.

Wie reagieren Autobauer, Forscher und Verbände auf das Verbot von Verbrennern von 2035 an, das die EU-Parlamentarier jetzt beschlossen haben? Bevor das Verbot in Kraft tritt, müssen noch die EU-Staaten zustimmen, doch schon jetzt fallen Reaktionen unterschiedlich aus, wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt. Während die einen darin ein klares Zeichen für den Klimaschutz sehen, sprechen andere von einer Entscheidung gegen Innovationen.

Michael Gill, Geschäftsführer des gewerkschaftsnahen IMU-Instituts in Stuttgart, kommentiert die Entscheidung so: „Die Weichen in Richtung Elektromobilität sind schon längst gestellt. Aktuelle politische Entscheidungen werden nur noch einen geringen Einfluss auf den eingeleiteten Technologiewechsel haben.“

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Unternehmensverbände hingegen kritisieren den Beschluss teilweise sehr deutlich. „Die Abstimmung im EU-Parlament ist eine schlechte Nachricht für die industrielle Stärke und Nachhaltigkeit der EU“, urteilt Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA. Aus Sicht des Autoverbands VDA ist das Verbrennerverbot eine Entscheidung „gegen die Bürger, gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien“, erklärt Verbandspräsidentin Hildegard Müller. Auch Rauen sagt: „Das Verbot wird die Vielfalt klimaneutraler Antriebstechnologien verringern – damit wird es immer schwerer, die europäischen Ziele für Klimaneutralität zu erreichen.“

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Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, verweist auf die Herausforderungen, die auf die Branche zukommen werden: „Die Automobilwirtschaft, die sich langsam auf diese Entwicklung einstellt, steht vor einer gewaltigen Transformation.“

Dagegen reagiert IMU-Experte Gill gelassen: Die führenden Autohersteller würden bereits „seit einigen Jahren den Großteil ihrer Investitionsbudgets den batterieelektrischen Fahrzeugen“ widmen, auch „als Reaktion auf politische Vorgaben und Anreizstrukturen“. Es fänden kaum noch Neuentwicklungen im Bereich der konventionellen Antriebstechnologie statt, auch weil synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) „ihr Image als umweltfreundlicher, aber ineffizienter Alternativkraftstoff bislang nicht abstreifen konnten“, so Gill.

Autohersteller vorbereitet

Eine Umfrage unserer Zeitung bestätigt die Einschätzung. Mercedes-Benz hat eine Elektrostrategie kommuniziert. „Im Prinzip begrüßen wir die Entscheidung“, sagt Eckart von Klaeden, Leiter des Mercedes-Bereichs Außenbeziehungen. „Bis 2030 sind wir bereit, überall dort vollelektrisch zu werden, wo es die Marktbedingungen zulassen“, fügt er hinzu. Mercedes-Benz habe – ohne den Kleinwagen Smart – aktuell sieben vollelektrische Modelle. Ab dem Jahr 2025 sollen alle neuen Fahrzeugarchitekturen rein elektrisch sein, so von Klaeden. Nach Ansicht von Volkswagen hat das EU-Parlament „ein klares und erwartetes Zeichen für den Klimaschutz gesetzt“. Das De-facto-Verbrennerverbot sei „ein ambitioniertes, aber erreichbares Ziel“, teilt der Konzern mit. So will die VW-Tochter Audi den letzten weltweit angebotenen Verbrenner 2033 ausliefern. Auch andere Hersteller werden die EU-Vorgaben vorzeitig erreichen. So wollen Stellantis-Marken wie Opel ab 2028 und Fiat ab 2027 in Europa nur noch rein elektrische Fahrzeuge anbieten, listet Stefan Reindl, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) in Geislingen/Steige, auf.

Ausnahme für Plug-ins gefordert

Wie sehen es Zulieferer? Bosch hat sich bereits 2019 zu den Klimazielen bekannt. Das tut auch Mahle. Aber: „Wir sehen es sehr kritisch, über regulatorische Vorgaben Technologien faktisch aus dem Markt zu drängen, statt ihr Potenzial zur Reduzierung der Treibhausgase zu nutzen“, sagt ein Sprecher. „Wir riskieren den Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung in Deutschland und Europa“, fügt er hinzu.

Kritisch ist auch der Zulieferer ZF in Friedrichshafen: „Plug-in-Hybride ab 2035 de facto zu verbieten ist keine kluge Strategie. Da ist das Vorgehen in Kalifornien intelligenter: Trotz eines vermeintlichen Mandats für Nullemissionsfahrzeuge im Jahr 2035 wird dort eine Ausnahme für Plug-ins mit hoher Reichweite diskutiert“, sagt ein Sprecher. Nicht zuletzt um eine „erfolgreiche Transformation der Werke zu ermöglichen“, fügt er hinzu. Für kleinere Zulieferer, die sich auf Komponenten für Verbrennungsmotoren konzentrieren, dürfte es nun schwierig werden. Sie können schnell in Schräglage kommen, befürchtet Ifa-Chef Reindl.

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Kritik kommt auch von Verbänden, die sich etwa an der Ladeinfrastruktur und den Rohstoffen festmacht. „Die Politik kann nicht mehr Tempo von der Industrie fordern, ohne selbst die Rahmenbedingungen zu schaffen, die dieses Tempo ermöglichen. Das gilt neben dem notwendigen Ausbau der Ladeinfrastruktur genauso wie für die mangelnde Digitalisierung und das fehlende Engagement bei den dringend notwendigen Rohstoff- und Energiepartnerschaften“, sagt VDA-Chefin Müller. Rauen vom Maschinenbauverband stimmt zu: „Russland und China dominieren die Versorgung der globalen Fahrzeugindustrie mit knappen Schlüsselrohstoffen für die Elektromobilität wie Nickel, Kobalt oder Magnesium. Dies lässt den Verbrennerausstieg zu einem erheblichen geopolitischen Risiko Europas werden.“

Jörg Hofmann, der erste Vorsitzende der IG Metall, fordert politische Unterstützung beim Umbau der Industrie: „Alle Beschäftigten brauchen eine Perspektive.“