OB Fritz Kuhn (Grüne) sieht das städtische Konzept des Feinstaubalarms bestätigt Foto: Lg/Max Kovalenko

Das Ende des von OB Fritz Kuhn favorisierten freiwilligen Feinstaubalarms steht wohl fest. Doch der Umwelthilfe und dem BUND gehen die Fahrverbote nicht weit genug.

Stuttgart - Das Ende des von Oberbürgermeister Fritz Kuhn favorisierten freiwilligen Feinstaubalarms steht wohl fest: Das Land und das Regierungspräsidium haben sich – wie bereits berichtet – am Dienstag in einem Verfahren vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gegenüber klagenden Anwohnern verpflichtet, von Anfang 2018 an am Neckartor bei feinstaubträchtigen Wetterlagen mindestens eine verkehrsbeschränkende Maßnahme zu erlassen. Damit soll das Verkehrsaufkommen an Deutschlands schmutzigster Kreuzung an kritischen Tagen um 20 Prozent gesenkt werden. Das entspricht an normalen Werktagen einem Rückgang um rund 16 000 Fahrzeuge. Ob 2016 auch noch über eine weitere Feinstaub-Klage der Deutschen Umwelthilfe verhandelt wird, stehe noch nicht fest, hieß es am Mittwoch beim Verwaltungsgericht.

OB Fritz Kuhn (Grüne) sieht das städtische Konzept des Feinstaubalarms bestätigt, obwohl er selbst verbindliche Fahrverbote in Stuttgart vermeiden will und manche Kritiker ihm mangelnden Willen zu konsequenter Luftreinhaltung ankreiden. Der Vergleich drehe sich nicht um dauerhafte Verkehrsbeschränkungen, sondern beziehe sich wie der Feinstaubalarm auf schadstoffträchtige Wetterlagen. Kuhn will weiter mit einem Alarm auf freiwilliger Basis auskommen. Man habe die Chance, damit bis Ende 2017 die Luftqualität nachhaltig zu verbessern. Aber auch beim Konzept für den Feinstaubalarm gebe es eine Stufe 2, die „ab 2018 bei Nichteinhaltung der Grenzwerte auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen nicht ausschließt“.

Der BUND-Regionalverband sieht „Licht und Schatten“ bei dem Vergleich. „Um die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) nicht zu überschreiten, muss der Verkehr um 50 Prozent verringert werden“, betont der BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer. Diese Einschätzung teilten auch die Experten der Landeshauptstadt. Der NO2-Jahresmittelwert stagniere am Neckartor seit vielen Jahren auf viel zu hohem Niveau. Daher greife eine örtlich stark begrenzte Verkehrsbeschränkung am Neckartor zu kurz. „Der Talkessel wäre eine sinnvollere räumliche Abgrenzung“, meint Pfeifer.

BUND: Land und Stadt sollen einen Gang höher schalten

Dennoch begrüßt der BUND den Vergleich. Es sei gut, dass es von Anfang 2018 an endlich konkrete verkehrsbeschränkende Maßnahmen gebe. „Damit sind Fahrverbote gerichtlich festgeschrieben worden“, betont Pfeifer. Das sei erfreulich, denn das „Herumlavieren mit freiwilligen Maßnahmen“ sei nicht geeignet, um die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide einzuhalten. „Das Land und die Stadt sollten sofort bei der Luftreinhaltung einen Gang höher schalten, bevor sie durch weitere Klagen eingeholt werden.“

Das sieht der Automobilclub ADAC anders. Grundsätzlich sei doch schon sehr viel passiert, sagte etwa Reimund Elbe, Sprecher des ADAC Württemberg. „Der Feinstaubalarm ist ein sehr guter Weg.“ Der ADAC sitze ja am Neckartor, und nach seinen Beobachtungen führe der Alarm zu deutlich weniger Staus. Man müsse 2016 und 2017 erst einmal die Zahlen genau analysieren und schauen, was sich schon verbessert habe. Dann müsse man mittelfristig weitere Verbesserungen umsetzen, etwa grüne Wellen, ein besseres Parkraummanagement, Kreisverkehre und besser Ampelschaltungen. Zwangsmaßnahmen wie Fahrverbote könnten nur der letzte Schritt sein. „Erst einmal müssen die Hausaufgaben sauber und seriös abgearbeitet werden. Das hat jeder, der mobil unterwegs ist, verdient.“

Automobilclub fordert Mobilitätsmanagement

Lob für den Vergleich gab es vom Automobilclub ACE. „20 Prozent sind ein gutes Ziel“, sagte Pressesprecher Constantin Hack. Das sei nicht illusorisch, und die Zahl der Überschreitungstage lasse sich so schon spürbar senken. „Die große Frage ist, wie es erreicht werden kann?“ Es brauche ein Mobilitätsmanagement. Rad- und Fußwegkonzepte müssten endlich umgesetzt werden, sagte Hack. Es gebe zwar schon reichlich Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung, aber: „Sie haben einfach nicht gebracht, was man gefordert hat.“ Deshalb müsse man neuen Ideen entwickeln und schauen, wie sie wirken. „Es muss ausprobiert werden.“ Im Fahrverbot liegt für ihn kein goldener Weg. „Was macht man mit Handwerkern und Lieferanten, die fahren müssen?“ Zudem sei der Kontrollaufwand riesig.

Der VCD fordert deutliche Maßnahmen. Mögliche Lösungen sieht Christoph Link, Vorsitzender des Kreisverbands Stuttgart, darin, den Verkehr an Einfahrtsstraßen durch Ampelschaltungen zu reduzieren und die Hauptverkehrsadern zurückzubauen. Man könne Spuren stattdessen für Busse oder Radfahrer freihalten. „Dann gibt es zwar mehr Staus, aber anders kann man den Individualverkehr nicht zum Umdenken bringen.“ Es brauche eine andere „Mobilitätskultur“. Die bisherigen Maßnahmen seien „wischi-waschi“, und hätten kaum Wirkung erzielt. Der VCD habe deshalb auf diesen Anstoß von richterlicher Seite gehofft. „Ich denke schon , dass sich da jetzt etwas bewegt“, sagte er

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist zuversichtlich, noch in diesem Jahr in Stuttgart Fahrverbote durchsetzen zu können. Die klagenden Anwohner vom Neckartor hätten nur ein Fahrverbot vor der eigenen Haustür erreichen können. „Aber die DUH hat als Organisation eine Klagebefugnis für die ganze Stadt“, betont DUH-Hauptgeschäftsführer Jürgen Resch. Dieser hatte bereits Ende Januar erklärt, dass man glaube, ein weit reichendes Verbot für Dieselautos durchsetzen zu können. Die entsprechende Klage sei 2015 beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht worden. Resch sieht gute Chancen aus, Stadt und Land zu zwingen, wirksame Schritte gegen die verschmutzte Luft umzusetzen.