Ein Stempel für die Abschiebung (Symbolbild). Foto: dpa-Zentralbild

Wegen des Verdachts auf Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse hat die AfD im baden-württembergischen Landtag Strafanzeige gegen den „Verein zur Unterstützung traumatisierter Migranten“ erstattet. Eine für den Verein tätige Ärztin reagiert jetzt.

Stuttgart - Der in Karlsruhe ansässige „Verein zur Unterstützung traumatisierter Migranten“ hat sich gegen den Vorwurf gewehrt, er würde ärztliche Schein-Bescheinigungen ausstellen, um Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern zu verhindern. „Wir machen keine Gefälligkeitsgutachten“, sagte Katharina Corrinth unserer Zeitung.

Corrinth ist eine von zwei Ärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie, die auf Honorarbasis für den Verein arbeiten.

Hälfte der Patienten in Karlsruhe ist schwer traumatisiert

Ihren Angaben zufolge kamen 2017 rund 580 Patienten in die Sprechstunde der Einrichtung. Bei etwa drei Viertel aller Fälle gab es intensivere Untersuchungen, nahezu immer mit Dolmetschern. „Wenn wir bei diesen Untersuchungen eine schwere Traumatisierung feststellen, schreiben wir ein Attest fürs Asylverfahren. Wenn nicht, dann nicht“, sagte Corrinth. Sie wies darauf hin, dass ein Viertel der Fälle bereits nach dem Besuch der Sprechstunde abgewiesen werde.

Laut Corrinth waren im vergangenen Jahr knapp die Hälfte der 580 Patienten schwer traumatisiert. Die meisten kamen aus Afghanistan. In den Jahren zuvor seien die häufigsten Herkunftsländer der Patienten das Kosovo, Serbien und Bosnien-Herzegowina gewesen.

Verein wird mit 140 000 Euro pro Jahr gefördert

Der „Verein zur Unterstützung traumatisierter Migranten“ wurde im Jahr 2005 gegründet. Er ist laut Sozialministerium eines von fünf psychosozialen Zentren für traumatisierte Flüchtlinge im Südwesten, die derzeit aus Landesmitteln mit je 140 000 Euro pro Jahr gefördert werden.

Ein Mediziner, der für das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe Abschiebungen begleitet, hatte zuletzt Kollegen vorgeworfen, gezielt falsche Atteste auszustellen – aus Mitleid oder politischer Motivation. Weil die AfD im baden-württembergischen Landtag anonyme Hinweise erhielt, die die Aussagen des Mediziners stützten, erstatteten mehrere Abgeordnete Strafanzeige gegen eine Ärztin des Karlsruher Vereins und Unbekannt wegen des Verdachts auf Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse.

Grüne: Regulärer Zugang zu Psychotherapie für Asylbewerber schwierig

Das Ressort von Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) wollte dazu keine Stellung beziehen. Der Vorgang sei bislang nicht bekannt, teilte es mit. Der integrationspolitische Sprecher und Fraktionsvize der Grünen, Daniel Lede Abal, wollte sich zum konkreten Fall in Karlsruhe nicht äußern. Er sagte aber: „Solche Einrichtungen sind vor allem deshalb notwendig, weil der reguläre Zugang für Asylbewerber, insbesondere zu Psychotherapie, äußerst schwierig ist.“

Der Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Blenke, sagte, er wolle abwarten, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft komme. „Wenn der Vorwurf aber zutreffen und Mitglieder des Vereins rechtsstaatliche Entscheidungen aushebeln sollten, würde das nicht hinnehmbar sein“, sagte Blenke.

FDP-Innenexperte Ulrich Goll sagte, der Vorwurf, Ärzte würden Gefälligkeitsatteste ausstellen, sei nicht neu. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) habe ihn schon im Juni 2016 erhoben. Wie auch an anderen Stellen des Asylrechts zeige sich hier, wie gute und gut gemeinte Regelungen in der Praxis unterlaufen werden können. „Erfolg haben schlussendlich nicht die Menschen, die verfolgt werden, sondern viel zu oft die, die auch ohne Asyl- und Fluchtgrund zu uns kommen und dann alle legalen und illegalen Möglichkeiten nutzen, um nicht abgeschoben zu werden“, meinte Goll. Der frühere Justizminister warf Grün-Schwarz vor, die Probleme nicht zu lösen.