Nancy Pelosi bei ihrer Ankunft in Taiwan. Foto: dpa/Uncredited

Zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert ist wieder eine US-Spitzenpolitikerin in Taiwan. Nancy Pelosi will sich von Drohungen aus China nicht einschüchtern lassen. Peking lässt Kampfjets starten - und warnt vor einem Spiel „mit dem Feuer“.

Die US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi ist allen Drohungen aus China zum Trotz am Dienstag zu einem Besuch in Taiwan eingetroffen. Der Aufenthalt der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses ist für die demokratische Inselrepublik der ranghöchste Besuch aus den Vereinigten Staaten seit 25 Jahren. Peking sieht Taiwan als Teil der Volksrepublik an und lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh strikt ab. Außenministerin Annalena Baerbock handelte sich am Dienstag wegen der Taiwan-Frage aus Peking einen Protest ein.

China protestierte auch sofort nach der Landung in scharfer Form gegen Pelosis Besuch. Das Außenministerium in Peking sprach von einem „sehr gefährlichen Spiel mit dem Feuer“. „Wer mit dem Feuer spielt, wird sich selbst verbrennen.“ China werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen“. Unmittelbar vor Pelosis Landung überflogen chinesische Kampfflieger vom Typ Su-35 den Meeresweg der Taiwanstraße. Zudem kündigte China Manöver mit Schießübungen in sechs Meeresgebieten rund um die demokratische Inselrepublik an.

Nach ihrer Landung in Taipeh sicherte Pelosi Taiwan weitere Unterstützung zu. „Amerikas Solidarität mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan ist heute wichtiger denn je, da die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht“, so die 82-Jährige. In der „Washington Post“ schrieb sie: „Wir können nicht zusehen, wie die (chinesische kommunistische Partei) CCP Taiwan - und die Demokratie selbst - bedroht. Wir bekräftigen, dass die Freiheiten Taiwans - und aller Demokratien - geachtet werden müssen.“

Das Weiße Haus betonte zugleich, Pelosis Besuch ändere nichts an der Ein-China-Politik der USA. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte dem Sender CNN, es gebe keinen Grund für China, aus dem Besuch einen Konflikt zu machen. „Die Vereinigten Staaten lassen sich auch nicht durch Drohungen einschüchtern.“

Baerbock hielt China ebenfalls Drohgebärden vor

Außenministerin Baerbock hielt China ebenfalls Drohgebärden vor. „Wir haben schmerzhaft in den letzten Monaten seit dem 24. Februar gelernt, dass aggressive Rhetorik zu gefährlichem Handeln führen kann“, sagte sie in einer Rede in New York. Die Grünen-Politikerin fügte hinzu: „Es kann nicht in unserem Interesse sein, wenn China zusätzlich noch ausufernde wirtschaftliche Abhängigkeiten in der Region kreiert.“ Die Grünen-Politikerin hatte China bereits am Montag kritisiert, was einen offiziellen Protest aus Peking wegen Einmischung in eine „innere Angelegenheit Chinas“ zur Folge hatte.

Als Reaktion auf Chinas militärische Muskelspiele erhöhte Taiwans Militär seine Kampfbereitschaft. Pelosis Besuch im Rahmen einer Asien-Reise war bis kurz vor der Landung nicht offiziell bestätigt worden. Am Mittwoch will die 82-Jährige nun Präsidentin Tsai Ing-wen und Abgeordnete treffen. Der Besuch der Nummer Drei der USA - nach Präsident und Vizepräsidentin - gilt in Taiwan als willkommene Aufwertung. Zudem wird er als Rückschlag für Peking gewertet, das Taiwan international zu isolieren sucht.

Pelosis Flugzeug machte nach Medienberichten auf dem Weg von Malaysia einen Umweg um das von China weitgehend kontrollierte Südchinesische Meer. In chinesischen Staatsmedien war sogar diskutiert worden, ob auch gegen ihr Flugzeug vorgegangen werden solle. Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden schon vergangene Woche gewarnt: „Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen.“

Das Weiße Haus warnte Peking vor einer Eskalation

Aus Sicht der chinesischen Führung gehört Taiwan zur Volksrepublik, obwohl es schon vor deren Gründung 1949 eigenständig regiert war. Die 23 Millionen Einwohner zählende Insel versteht sich auch schon lange als unabhängig. Der Machtanspruch auf die Insel geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik zurück, was die große Bedeutung für die Kommunistische Partei erklärt. Am Ende des Bürgerkrieges gegen die Kommunisten war die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan geflüchtet, während die Kommunisten 1949 die Volksrepublik ausriefen.

Die Insel hat wegen ihrer Lage an wirtschaftlich wichtigen Meeresstraßen geostrategische Bedeutung und wurde von US-Generälen früher auch gerne als „unsinkbarer Flugzeugträger“ beschrieben. Die parteinahe chinesische Zeitung „Global Times“ schrieb, die Beziehungen zwischen China und den USA stünden „fast auf des Messers Schneide“. „Die Gegenmaßnahmen, die das Oberkommando für Pelosis möglichen Taiwan-Besuch vorsieht, müssen um ein Vielfaches rigoroser und umfassender sein, als man es sich vorstellen kann.“

Das Weiße Haus warnte Peking vor einer Eskalation. Kirby sagte, die USA würden sich nicht auf „Säbelrasseln“ einlassen. „Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern.“ Der Besuch ändert auch „nichts“ an der China-Politik der USA. Die USA unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sondern betrachten Peking als legitimen Vertreter Chinas. Pelosis Besuch ist der höchste aus den USA seit der Visite ihres republikanischen Amtsvorgängers Newt Gingrich 1997. Damals - kurz vor der Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China - fiel die Reaktion gemäßigt aus.