Das Projekt „GeRas: Geriatrische Rehabilitationserfolge nachhaltig sichern“ erprobt, wie sich die Erfolge einer stationären Rehabilitation zu Hause ausbauen lassen. Foto: Adobe Stock/KI

Training und eine sich nahtlos an eine Operation anschließende Behandlung können die Erfolge einer geriatrischen Rehabilitation sichern. Ein solches Nachsorgeprogramm bietet das Projekt „GeRas“ des RBK in Stuttgart.        

„Wiederholen“ steht auf dem Feld am rechten Bildschirmrand. Sieglinde Pazerat tippt vorsichtig mit ihrem Touchscreen-Stift darauf. Sofort startet erneut das Video, in dem ein Avatar an einem Stuhl Schritt für Schritt eine Gleichgewichtsübung vormacht. Sie steht ebenfalls hinter einem Stuhl, ihre Hände umfassen die Rückenlehne. Der Blick der 86-Jährigen ist auf ein Tablet gerichtet, das eingeklemmt in einen Standfuß auf ihrem Esstisch steht.

Genau wie der Avatar in dem Video stellt sie ihre Füße so hintereinander, dass sie sich berühren. Über den Lautsprecher des Tablets begleiten Hinweise die Übung: „Lösen Sie nun langsam Ihre Hände.“ Die Rentnerin versucht nun, 30 Sekunden so ruhig wie möglich frei zu stehen. „Das sieht vielleicht auf den ersten Blick einfach aus, aber wenn man Probleme mit dem Gleichgewicht hat, ist das gar nicht so einfach“, sagt die Seniorin.

Ende 2023 war die 86-Jährige gestürzt und hatte sich dabei den Oberschenkelhals gebrochen. Nach der erfolgreichen Operation kam sie für eine dreiwöchige geriatrische Rehabilitation ins Robert Bosch Krankenhaus (RBK), Standort City. Ihre Zielvorstellung war ehrgeizig: „Ich möchte die Klinik alleine gehend und ohne Rollator und Gehstock wieder verlassen.“ Als sie im Januar 2024 das RBK an der Hohenheimer Straße verließ, brauchte sie noch ihren Stock.

Heute sieht das anders aus. Jetzt kann Sieglinde Pazerat wieder ohne jede Gehhilfe zu ihrem Friseur laufen und mit ihrem Mann spazieren gehen. Das habe sie durch das Nachsorgeprogramm des RBK erreicht, ist sich die Rentnerin sicher.

Rehabilitation: Mit Tablet zurück in den Alltag

Das Projekt „GeRas: Geriatrische Rehabilitationserfolge nachhaltig sichern“ erprobt seit Oktober 2022 an den drei Standorten Stuttgart, Heidelberg und Karlsruhe, wie sich die Erfolge einer stationären Rehabilitation zuhause ausbauen lassen. Dazu wurde ein 12-wöchiges Programm entwickelt, mit dem der Übergang in den ambulanten Sektor und zurück in den Alltag erleichtert wird. Damit können die betagten Patienten direkt nach ihrer Entlassung Übungen aus den Bereichen Ausdauer, Gleichgewicht und Kraft zu Hause durchführen. Angeleitet und begleitet werden sie dabei von Physiotherapeutinnen und -therapeuten – mit Hilfe von Telemedizin und eines Tablets.

„Die Fortführung der Therapie im ambulanten Bereich ist wichtig, da die Zeit während der Rehabilitation oft nicht ausreicht, um die Erfolge nachhaltig zu sichern“, erklärt Prof. Dr. Kilian Rapp, Leiter des Projekts am Robert Bosch Krankenhaus. Aber das genau ist oftmals ein Problem: Die ambulante Versorgung durch Physiotherapeutinnen und -therapeuten sei ein Nadelöhr, so der Ärztliche Leiter der Abteilung für Geriatrie. Es sei schwierig, eine Therapeutin oder einen Therapeuten zu finden, der freie Kapazitäten hat. Die ersten Termine bekomme man oft erst nach einigen Wochen. „Deshalb versuchen wir im Projekt, den Übergang vom stationären in den ambulanten Bereich so kontinuierlich wie möglich zu gestalten.“

Individueller Trainingsplan bringt Erfolge

Hier setzt das durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss geförderte Modellprojekt an. Dabei arbeiten einige Patientinnen und Patienten mit einem Tablet, auf dem eine digitale Plattform installiert wurde. Der Bildschirm zeigt einen Wochenplan, in dem die einzelnen Übungen des Trainingsplans eingetragen und passende Videos hinterlegt sind. Dazu kommt ein Feld, das auf anstehende Termine hinweist, wie zum Beispiel die regelmäßigen Videotelefonate mit der Physiotherapie.

„Mit leicht verständlichen Inhalten, gut ersichtlichen Kennzeichnungen und kontrastreichen Farben haben wir eine Plattform entwickelt, die ganz intuitiv zu bedienen ist“, sagt Benjamin Finger, Leiter der Telemedizin im Robert Bosch Krankenhaus. „Das macht die Anwendung gerade für ältere und im Umgang mit Apps und Tablets unerfahrene Menschen sehr zugänglich.“

Reha mit Tablet: Vertrauen in die Technik wecken

Rebekka Leonhardt ist eine der Physiotherapeutinnen am Robert Bosch Krankenhaus, die an dem Projekt mitwirkt und auch Sieglinde Pazerat begleitet hat. In den ersten beiden Wochen nach der stationären Reha macht sie zwei Hausbesuche bei den Teilnehmenden. „Die sind ein Muss“, findet sie, um das Tablet vor Ort einzurichten und die Funktionen zu erklären.

Die meisten Teilnehmenden haben zuvor nie mit einem Tablet gearbeitet. So ging es auch Sieglinde Pazerat, die zu Beginn skeptisch gegenüber der Telemedizin eingestellt war. Nach dem dreimonatigen Programm sieht es anders aus: „Das war das Allerbeste, was mir passieren konnte.“ Vor allem die Trainingsvideos und die Möglichkeit, sie immer wieder erneut abzuspielen, hätten ihr sehr geholfen.

Eine große Motivation seien die wöchentlichen Videotelefonate gewesen. Dabei können die Physiotherapeutinnen und -therapeuten ihre Patientinnen und Patienten bei den Übungen begleiten und Tipps geben. Entsprechend der Fortschritte wird dann der Schwierigkeitsgrad der Übungen auf der Plattform angepasst.

Wie gut die Teilnehmenden mit dem Tablet zurechtkommen, werden die Ergebnisse der Studie 2025 zeigen. Sind diese überzeugend genug, könnte das Programm auch in die Regelversorgung gehen und ein allgemeines Angebot der geriatrischen Rehakliniken werden. Ausgezeichnet wurde das Projekt bereits mit dem Preis „Beste digitale Lösungen aus den Bundesländern“ des Netzwerks Gesundheitsstadt Berlin.


Weitere Informationen sind auf der Webseite des RBK zum Thema Mobile Geriatrischen Rehabilitation nachzulesen.