Amnesty International kämpft – wie hier in Berlin – gegen die Zustände in der Türkei. Foto: dpa/Archivbild

Die türkische Polizei hat bei Razzien zahlreiche Anwälte festgenommen, darunter auch den Vorsitzenden von Amnesty International. Die Organisation spricht von Willkür und wirft den Behörden vor, Freiheiten zu „zertrampeln“.

Istanbul - Der Leiter von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, ist nach Angaben der Menschenrechtsorganisation festgenommen worden. Kilic wurde demnach am Dienstagmorgen in seinem Haus in der Küstenstadt Izmir in Polizeigewahrsam genommen. Hintergrund sind Ermittlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen. Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers für den Putschversuch vom Juli vergangenen Jahres verantwortlich.

Kilic, der Menschenrechtsanwalt ist, wurde den Angaben zufolge zusammen mit 22 weiteren Anwälten festgenommen. Zudem seien sein Haus und Büro durchsucht worden. Laut der Zeitung „Hürriyet“ wird den Festgenommenen die Nutzung einer Messenger-App vorgeworfen, die nach Darstellung der Regierung unter Gülen-Anhängern beliebt ist.

Amnesty International fordert die Freilassung der Festgenommenen

Amnesty International rief die türkischen Behörden in einer Erklärung dazu auf, die Festgenommenen sofort freizulassen und alle Vorwürfe fallenzulassen. Es mangele an „glaubwürdigen und zulässigen Beweisen für Verstrickungen in international anerkannte Verbrechen“, hieß es.

Generalsekretär Salil Shetty erklärte, die Festnahme von Kilic zeige, wie „weitreichend und willkürlich“ die „türkische Säuberungskampagne“ nach dem Putschversuch geworden sei. Kilic verteidige seit Jahren „genau jene Freiheiten, welche die türkischen Behörden jetzt zertrampeln“.

Auch aus Deutschland gab es Kritik und Solidaritätsbekundungen. „Wir sind äußerst erschüttert über die Festnahmen“, sagte der Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Ulrich Schellenberg, der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist geradezu zynisch, dass jemand der sich selbst so sehr für die rechtsstaatlichen Prinzipien und Menschenrechte eingesetzt hat wie Herr Kilic, jetzt selbst Opfer geworden ist, und mit ihm 22 weitere Anwälte festgenommen wurden.“ Man sei zudem „erschrocken über die pauschalen Vorwürfe“.

Verschärfung der Situation seit Referendum

Schon bei einem Besuch in Ankara im Januar habe der DAV festgestellt, dass „rechtsstaatliche Prinzipien und Sicherungsmechanismen, wie etwa die Gewaltenteilung in der Türkei schon damals nicht mehr gewährleistet waren“. Nach dem Referendum habe es noch mal eine „Verschärfung der Situation“ gegeben, kritisierte Schellenberg weiter. Mit einem erneuten Besuch bei der türkischen Anwaltschaft Mitte Juni wolle man daher „ein Zeichen der Solidarität setzen“.

Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), forderte die Bundesregierung dazu auf, Druck auf Ankara auszuüben. „Wir dürfen diese Hexenjagd nicht einfach hinnehmen oder zur neuen Normalität verklären“, hieß es in einer Erklärung. „Jeder neue Fall verlangt Protest, nicht Gewöhnung.“

Im Zusammenhang mit dem Putschversuch in der Türkei sitzen inzwischen mehr als 50 000 Verdächtige wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung in Untersuchungshaft.