Zwei Fahnder bringen am frühen Dienstagmorgen einen Verdächtigen zur Kontrolle der Personalien Foto: Gottfried Stoppel

Mit einem Großaufgebot von an die 250 Beamten in Uniform und Zivil hat die Polizei am frühen Dienstagmorgen ein Asylbewerberheim in Backnang durchsucht. Bei der Razzia wurden drei Schwarzafrikaner wegen des Verdachts auf Drogenhandel festgenommen, zwei weitere Verdächtige trafen die Fahnder nicht an.

Backnang/Stuttgart - Vor neun Tagen haben Mannheimer Drogenfahnder bei einer Großrazzia in der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge 19 Männer festnahmen – vorwiegend Schwarzafrikaner aus Gambia. Warum so viele gerade aus diesem afrikanischen Land? „Wir sind intensiv dran, die Strukturen aufzuhellen“, sagt Horst Haug, Sprecher des baden-württembergischen Landeskriminalamts. Allerdings: Auch nach Monaten hat die Behörde mit Sitz in Bad Cannstatt nichts erkennen können. Derweil steigen die Zahlen der tatverdächtigen Drogenhändler gambischer Herkunft von Jahr zu Jahr – im vergangenen Jahr sogar um das Dreifache. „Der Trend für 2015 geht gerade so weiter“, so Haug.

In Backnang folgt nun der nächste Großeinsatz. Dienstag, frühmorgens um 4.30 Uhr, ist es noch dunkel. 250 Polizeibeamte in Unform und Zivil stehen bereit. Einsatzleiter Jürgen Hamm erläutert die Hintergründe. Über mehrere Wochen haben die Fahnder die Backnanger Einrichtung inspiziert, verdeckte Ermittler kauften zum Schein Drogen an. Beunruhigende Erkenntnis: Offenkundig wird auch auf dem nahe gelegenen Schulhof gedealt. Auffällig sind alleinstehende junge Erwachsene aus Schwarzafrika. Dies sorgt insbesondere in der direkt neben dem Asylheim gelegenen Waldorfschule samt ihrem Kindergarten für Unruhe.

Gegen 6 Uhr umstellen die Beamten den aus vier Gebäudeteilen bestehenden Komplex – früher war dort das Landwirtschaftsamt untergebracht, außerdem gibt es Fertigbauten, die Anfang der 90er Jahre zur Aufnahme von Aussiedlern errichtet wurden. Die Polizisten sind höchst konzentriert, damit auch ja keiner etwa aus einem Fenster flüchten kann. Die Asylbewerber sind jedoch viel zu überrascht, um schnell reagieren zu können. 208 Menschen leben in der Unterkunft, knapp 100 von ihnen, verteilt auf 23 Zimmer, sind ins Visier der Fahnder geraten. Jeweils zwei Beamte geleiten die jungen Männer nach draußen, fast alle haben kurze oder längere Rastalocken und tragen Badelatschen. Auf ihren T-Shirts kleben kleine Zettel, auf denen die Zimmernummer und genauer Zeitpunkt der Kontrolle aufgezeichnet sind. An vier mobilen Mini-Revieren, die in Vans untergebracht sind, werden die Ausweise der Männer kontrolliert und deren Fingerabdrücke genommen.

Derweil durchsuchen Beamte die Zimmer, in denen die Bewohner meist gelangweilt guckend auf den Betten liegen, und durchstöbern Koffer, Kleidung und Kisten. In einem Zimmer brechen sie mit einem Stemmeisen einen Schrank auf und entdecken in einer Spindtür einen sogenannten Bunker für Drogen – allerdings ist er leer.

Zum Ende der vierstündigen Razzia ist Einsatzleiter Hamm zufrieden, alles sei „ruhig und in großer Gelassenheit“ vonstattengegangen. Insgesamt 100 Gramm Cannabis sowie 1380 Euro Bargeld stellen die Fahnder sicher. Vor Ort werden allerdings nur drei der fünf per Haftbefehl Gesuchten im Alter zwischen 20 und 34 Jahren erwischt. Ein weiterer, 29-jähriger Gambier, der früher im Backnanger Heim lebte, wird am Vormittag in Schwaikheim mit rund 300 Gramm Cannabis in der Tasche festgenommen.

Backnangs OB Frank Nopper lobt am Nachmittag den Polizeieinsatz. „Es geht vor allem um Drogenhandel, Einbrüche und Diebstähle aller Art; wir müssen mit aller Entschiedenheit dagegen vorgehen.“ Es sei an der Zeit, dass die große Politik beim Flüchtlingsthema mehr Realitätssinn an den Tag lege. „Scharfmacherei ist genauso wenig die richtige Antwort wie romantische Verklärung.“

Die Aufregung im Wohngebiet der Hohenheimer Straße und in der Waldorfschule dürfte sich aber kaum schnell legen. Bereits am Dienstag werden erste weitere Container angeliefert. Dadurch steigt bis Juni die Zahl der Plätze in der Backnanger Einrichtung um 27 auf dann 235 Asylbewerber.