Wegen des milden Wetters sammeln sich Dutzende Marienkäfer an Häuserwänden, in Rollladenkästen und Zimmerecken. Foto: dpa

Auf der Suche nach einem lauschigen Plätzchen zum Überwintern verirren sich derzeit massenhaft Marienkäfer in Stuttgarter Wohnungen. Schädlich sind sie nicht. Ein Rausschmiss kann den Tierchen allerdings das Leben retten, sagen Biologen.

Stuttgart - Von einer Plage spricht man bei Marienkäfern nicht, wenn sie in Massen auftreten. Schließlich nützen die kleinen Insekten mehr, als sie schaden. Etwas seltsam ist es allerdings schon, dass derzeit gleich Dutzende der Tierchen an Häuserwänden die Abendsonne genießen oder sich an Vorhangstangen, Lampenschirmen, in Rollladenkästen und Zimmerecken häuslich niederlassen. Es scheint fast so, als erlebe Stuttgart gerade eine regelrechte Marienkäfer-Invasion.

Doch laut Johannes Reibnitz, Biologe und Spezialist für Käfer am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, sind nicht mehr Käfer unterwegs als sonst. „Man findet sie das ganze Jahr über in rauen Mengen, dann allerdings im Gebüsch oder auf den Feldern“, sagt er. Marienkäfer sind wechselwarme Tiere und überwintern an geschützten Plätzen. Bevor die ersten Blätter fallen, suchen sie sich ihre Winterquartiere. Doch weil der Oktober in diesem Jahr etwas wärmer ist als sonst, verzögert sich alles. „Sie tanken nochmals etwas Energie“, sagt Reibnitz. Nach dem Sonnenbad suchen sie sich den nächstgelegenen Unterschlupf und nisten sich deshalb auch in Wohnungen ein.

Gefährlich oder gar schädlich sind Marienkäfer nicht. „Wer sich an den Mitbewohnern stört, sollte sie nicht töten, sondern einfach vorsichtig wieder nach draußen setzen“, sagt der Biologe. Den Tieren könnte ein Rausschmiss sogar das Leben retten. Sinken die Temperaturen, verfallen sie im Freien in eine Kältestarre. In der warmen Wohnung ist das nicht möglich, die Käfer sterben. Ein herber Verlust: Schließlich leisten sie wertvolle Dienste zum Schutz der Pflanzen. Zur Leibspeise der Käfer gehören unter anderem Blattläuse. Das wissen Bauern schon seit je. Weil sie glaubten, die Schädlingsbekämpfer seien vom Himmel geschickt, tauften sie die Tierchen nach der Mutter Gottes. Auch ihren Status als Glücksbringer verdanken sie ihren Fressgewohnheiten.

Ab Montag wird es stürmisch

Bei den Stuttgarter Exemplaren handelt es sich hauptsächlich um eine eingewanderte Art: den Asiatischen Marienkäfer (lateinisch: Harmonia axyridis). Dieser stammt ursprünglich aus China und Japan und wurde Ende des 20. Jahrhunderts nach Amerika und Europa eingeschleppt – zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Im Gegensatz zu ihren deutschen Artgenossen, den Siebenpunkt-Marienkäfern, sind die asiatischen Exemplare regelrechte Fressmaschinen. Sie verputzen 270 Blattläuse in 24 Stunden. Heimische Arten schaffen gerade einmal 50. Sie vermehren sich ein- bis zweimal im Jahr und haben sich seit der ersten Sichtung in Deutschland im Jahr 2002 explosionsartig ausgebreitet.

Auch äußerlich unterscheiden sich die beiden Käferarten. Asiatische Exemplare haben bis zu 19 schwarze Punkte auf den Flügeln, können aber auch ganz schwarz oder knallorange sein. Einen besonders guten Ruf genießen sie nicht, ihnen wird sogar Kannibalismus nachgesagt: Sind keine Läuse greifbar, futtern sie gerne auch die Larven der heimischen Marienkäfer. „Dass er den Siebenpunkt nach und nach verdrängt, darüber scheiden sich allerdings die Geister“, sagt Reibnitz.

Ob heimisch oder asiatisch, in den kommenden Tagen haben die Käfer noch reichlich Gelegenheit, Wärme zu tanken. „Einen Wintereinbruch wird es in den kommenden Tagen nicht geben“, sagt Meteorologe Klaus Riedl. Etwas unbeständiger, aber mit bis zu 17 Grad nach wie vor mild wird es am Sonntag. Danach soll es windig werden: „Vom Atlantik her nähern sich die ersten Herbststürme.“ Spätestens dann werden auch die Marienkäfer in ihren Winterquartieren verschwunden sein.