„Die kleine Raupe Nimmersatt“ ist gerade 40 Jahre alt geworden - ihr Schöpfer Eric Carle ist schon doppelt so alt. Foto: Gerstenberg-Verlag

Er sei „aus Versehen“ Kinderbuchautor geworden, sagt Eric Carle. Das Versehen hat dazu geführt, dass Generationen von Kindern mit der „kleinen Raupe Nimmersatt“ und anderen Kinderbuchklassikern aufwuchsen. Und Carle macht weiter - obwohl er jetzt 85 wird.

New York - Er sei „aus Versehen“ Kinderbuchautor geworden, sagt Eric Carle. Das Versehen hat dazu geführt, dass Generationen von Kindern mit der „kleinen Raupe Nimmersatt“ und anderen Kinderbuchklassikern aufwuchsen. Und Carle macht weiter - obwohl er jetzt 85 wird.

Alles fing mit einem Hummer an. Weil dem Kinderbuchautor Bill Martin der gemalte Krebs eines New Yorker Werbedesigners gefiel, bat er ihn, sein Buch „Brauner Bär, wen siehst denn Du?“ zu illustrieren. Der Mann tat es - und begründete mit immerhin schon 38 seine eigene Weltkarriere als Kinderbuchautor. Eric Carle hat ganze Generationen von Kindern mit Büchern wie der „kleinen Raupe Nimmersatt“ unterhalten. An diesem Mittwoch wird er 85.

Carle wurde in Syracuse im Nordosten der USA geboren, aber die Eltern waren Deutsche und zu Hause wurde Deutsch gesprochen. 1935, er war sechs, kehrten seine Eltern nach Deutschland zurück - und bereuten es bitter. Die Eingewöhnung in die inzwischen von den Nazis vereinnahmte alte neue Heimat fiel schwer und schließlich musste Vater Carle in den Krieg. Aus russischer Gefangenschaft kehrte er als Wrack heim.

Für den kleinen Eric war das Land ein Schock: „In Syracuse hat meine geliebte Lehrerin Miss Frickey meinen Eltern gesagt, ich sei talentiert und sie sollten das unbedingt fördern“, erzählte er. „In Deutschland bekam ich von einem gemeinen, wütenden Lehrer in der ersten Woche drei „Tatzen“ auf die ausgestreckte Hand. Der Schmerz und die Erniedrigung haben mein ganzes neues Leben überschattet.“

Aber da war noch der Zeichenlehrer, der den Zwölfjährigen heimlich mit der Kunst vertraut machte, die offiziell „entartet“ genannt wurde. Und das Studium: „Nach der verhassten Schule habe ich acht Semester bei Prof. Ernst Schneidler an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. Das waren die prägendsten und glücklichsten Jahre und ich werde immer dankbar sein.“

Und offensichtlich war das Studium auch erfolgreich. Denn nach Carles Rückkehr in die USA wurde er 1952 Grafikdesigner bei der „New York Times“ und Art Director bei einer Werbeagentur. Da pinselte er eines Tages einen Hummer, der Bill Martin auffiel. „Ich bin also eigentlich aus Versehen Kinderbuchillustrator geworden“, sagt Carle.

Carle zeichnete die Tiere für Martin. „Was für ein anregendes Buch“, schwärmt er noch fast ein halbes Jahrhundert später von den Texten Martins. „Ich war Feuer und Flamme. Man konnte also noch etwas ganz Besonderes machen, das Kindern die Freude zeigen konnte, die man in Büchern finden kann.“ Das Buch wurde erst ein Erfolg und dann ein Klassiker. „Es hat mein Leben verändert: Ich wurde Autor und Zeichner von Kinderbüchern.“

In seinem zweiten eigenen Buch ließ Carle eine Raupe sich durch alle möglichen Dinge futtern. Zuletzt wurde aus der „Raupe Nimmersatt“ ein wunderschöner Schmetterling - und ein Welterfolg. In fast 60 Sprachen wurde das Buch übersetzt, mehr als 30 Millionen Exemplare verkauft. Wer will, kann Kinderzimmer - und selbst andere Bereiche der Wohnung - komplett mit „The Very Hungry Caterpillar“ einrichten.

Es folgten noch fast 70 Bücher. Carles Stil ist unverwechselbar. Er arbeitet gern mit handbemaltem Papier, das dann ausgeschnitten und arrangiert wird. Einfach ein Buch mit Seiten sind seine Werke selten, fast immer versteckt sich - gefaltet, geschnitten, gebohrt oder geklebt - mehr darin. Sie sind immer eine Entdeckungstour.

Carles jüngstes Buch heißt „Freunde“ und es ist eine Rückkehr. Denn es entstand, weil der Autor seit 82 Jahren ein Foto hat, darauf er und ein kleines Mädchen, aufgenommen 1932 von seiner Mutter. Carle war drei und mit 84 schrieb er „Freunde“, weil er das Mädchen nie wiedersah. Das Buch wurde ein Erfolg - und von der Tochter des Mädchens gelesen. Dieses Mädchen ist mittlerweile 85 und hat jetzt wieder Kontakt mit dem kleinen Deutschen von damals. „Es war mein Osterwunder“, sagt Carle. „Und am meisten verblüfft mich ihr Nachname.“ Die Frau heißt „Trovato“. Auf Deutsch heißt das „gefunden“!