Das Eindruckvollste an einem Raketenstart ist das ohrenbetäubende Grollen der Triebwerke. Foto: ESA

Wer ins All will, muss erst in den Dschungel: Ein Blick hinter die Kulissen des Weltraumbahnhofs Kourou.

Kourou - Wenn Wissenschaftler ins All wollen, müssen sie ihre Arbeit in fremde Hände legen. Am Weltraumbahnhof Kourou bringen andere ihr Werk zu Ende. Dieser Startplatz befindet sich jenseits des Atlantiks, auf fünf Grad nördlicher Breite in Südamerika. Dort liegt das Übersee-Department Französisch-Guayana, eingebettet zwischen Surinam und Brasilien. Pro Jahr starten hier sieben bis zehn verschiedene Raketen – zuletzt am vergangenen Samstag die Merkur-Sonde BepiColombo. Als Nächstes wird eine Soyuz-Rakete am 6. oder 7. November den Wettersatellit Metop-C in den Orbit bringen.

Die Vorteile des Standorts Kourou

Je näher ein Startplatz am Äquator liegt, desto mehr wird die Rakete durch die Erddrehung beschleunigt. Das lässt sich entweder in eine höhere Geschwindigkeit oder mehr Fracht umsetzen. Eine Ariane, die von Kourou aufbricht, kann laut Arianespace gegenüber einer vergleichbaren Rakete, die im russischen Baikonur startet, bis zu 25 Prozent mehr Fracht ins All transportieren. Hinzu kommt, dass das Wetter in Guayana vergleichsweise stabil ist. Es gibt keine tropischen Wirbelstürme. Die hohe Luftfeuchtigkeit spielt keine Rolle, weil die Satelliten ihr kaum direkt ausgesetzt sind. Das Areal ist übrigens – wie viele andere Sperrgebiete – ein Rückzugsgebiet für viele Tierarten, darunter auch Jaguare.

Drei Startplätze in einem

Das Raumfahrtzentrum in Kourou ist sieben Mal so groß wie das Stadtgebiet von Paris. Von hier aus starten Ariane 5, Soyuz- und Vega-Raketen – und von dem Jahr 2020 an gesellt sich auch die Ariane 6 dazu. Jede hat eine eigene Startrampe, eine eigene Fertigungshalle, in der die Fracht auf den Start vorbereitet und in die Rakete montiert wird. Der Start einer Ariane 5 wird vom Startkontrollzentrum aus überwacht, das sich nur 2,1 Kilometer von der Rampe entfernt befindet. Es liegt also innerhalb der Zone, die normalerweise Stunden vor dem Start evakuiert wird. Deshalb liegt der Kontrollraum in einem fensterlosen Gebäudetrakt, „Le Bunker“ genannt. Er kann luftdicht abgeriegelt werden und hat Sauerstoffreserven für mehrere Stunden. Die Ingenieure dort hören vom Getöse der Rakete draußen so gut wie nichts. In einem Notfall kämen ihnen übrigens Feuerwehrleute aus Paris zu Hilfe – sie betreuen zusammen mit Einsatzkräften der französischen Gendarmerie das Gelände.

Die letzten Vorbereitungen

Etwa zwei Tage vor dem Start wird die Rakete mit Schienenfahrzeugen zu ihrer Rampe gefahren. Das ist ein feierlicher Moment, den sich kaum ein Beteiligter entgehen lässt. Russische Ingenieure pflegen die Tradition, hinter der Rakete herzulaufen, um ihr auf diese Weise einen guten Flug zu wünschen. Auf der Rampe werden die Feststoff-Booster befestigt sowie Flüssigtanks mit Wasserstoff und Sauerstoff gefüllt. Das kann man mehrere Hundert Meter weiter hören. Auch die Batterie von BepiColombo wurde bis zuletzt geladen. Da beim Start die Verkleidung der Ariane mit Luft auf 14 Grad gekühlt wird, musste BepiColombo wiederum geheizt werden. Das hat mehr Batterieladung gekostet als gedacht. Zum Glück öffneten sich die Solarpanele der Sonde nach Plan, so dass sie schon kurz nach dem Start wieder „auftanken“ konnte.

Der Startplatz – ein Käfig

Ob ein Start abgebrochen werden muss oder wie geplant verläuft, liegt in der Hand des Start-Managers. Als BepiColombo aufbrechen soll, stehen am Horizont hohe Gewitterwolken, es weht ein kräftiger Wind. Gewitter sind aber kein Problem, denn vier hohe Gittermasten schützen den Startplatz. Sie sind durch Kabel miteinander verbunden und bilden einen Farradayschen Käfig. Gefährlich werden einer Rakete nur starke Winde in der Höhe – oder technische Probleme.

Der Countdown läuft

Das Herz des Weltraumbahnhofs schlägt im Jupiter Center, einem Gebäude gleich am Eingang. Wäre die Rakete ein Flugzeug, wäre der Bunker ihr Cockpit und das Jupiter-Kontrollzentrum der Tower. Dort sitzen die Ingenieure und Wissenschaftler und überwachen den Start. Auf den Rängen vor den Glaswänden sitzt das Publikum, fast wie im Kino. Sieben Minuten vor dem Start ist der letzte kritische Moment. Wenn bis hierher alles nach Plan läuft, dann gibt es kein Zurück mehr. Eine Minute vorher wird der Countdown laut mitgezählt – drei, zwei, eins, Zündung! Und dann breitet sich blitzschnell ein gleißend helles Leuchten aus, die Rakete verschwindet in einem Feuerball. Selbst bei einem Nachtstart wird es für ein paar Augenblicke wieder Tag. Erst wenn der Feuerball schon fast den Zenit seiner Bahn erreicht, erfasst der Schall die Zuschauer in einigen Kilometern Entfernung mit voller Wucht. Die Rakete passiert indes schon nach fünf Minuten Santa Maria auf den Azoren, wo die nächste Antenne ihre Verfolgung übernimmt. In Kourou warten da noch alle auf die erfolgreiche Trennung von Fracht und Rakete nach 26 Minuten. Erst dann ist für die Airbus-Ingenieure aus Friedrichshafen, die die Sonde BepiColombo gefertigt haben, ihr Auftrag erfolgreich erledigt.

Nach dem Start beginnt die Arbeit

Im Satelliten-Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur Esa dagegen beginnt die Arbeit am Ende eines Starts erst so richtig. Sobald die ersten Signale aus dem All in Darmstadt eintreffen, beginnen die Tests: Dann werden Instrumente, Antrieb und Flugrichtung überprüft, und es wird nachjustiert. „Viele denken, man richtet eine Raumsonde einfach aus und schickt sie dann los“, sagt Elsa Montagnon, Operations Manager für BepiColombo. „Aber wir werden in den nächsten Wochen in Zwölf-Stunden-Schichten arbeiten, um die Sonde für ihre lange Reise auf die richtige Flugbahn zu bringen.“