Immer mehr künstliche Himmelskörper umkreisen die Erde. Foto: Eads Astrium

Das Satellitengeschäft erlebt derzeit einen spektakulären Boom: Die Abschüsse ins All werden sich deutlich erhöhen. Grund ist vor allem der zunehmende Bedarf an neuen Internet-Kapazitäten. Deutsche Ingenieure haben den Startschuss zum Wettlauf in den Orbit gegeben.

Paris - Der Himmel hängt vielleicht voller Geigen, aber vor allem voller Satelliten. Laut einer Studie des in der Branche maßgeblichen Beraterbüros Euroconsult werden bis 2025 mehr als 9000 Satelliten ins Weltall befördert werden. Bei den meisten wird es sich zwar um Kleinkörper unter 500 Kilo handeln. Doch auch das Geschäft mit den herkömmlichen Satelliten, von denen in den letzten zehn Jahren 1480 Exemplare ausgesetzt wurden, dürfte laut Euroconsult um die Hälfte zulegen. Insgesamt sagt das Pariser Büro dem Satellitengeschäft bis 2025 einen Jahresumsatz von 27 Milliarden Euro voraus.

Für diesen Boom gibt es mehrere Gründe. Die Welt braucht mehr Klima- und Wettersatelliten, zudem bauen die Großmächte ihre Nachrichten- und Spionagetätigkeit aus. Vor allem aber wollen private Großprojekte wie Space X oder One Web den Planeten lückenlos mit Internet abdecken, was viele hundert Minisatelliten bedingt.

Dienstleistungen im All von Nasa vor Jahren an private Anbieter vergeben

„Ausschlaggebend war vor Jahren schon die Entscheidung der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa, Dienstleistungen im All an private Anbieter zu vergeben“, meint Rachel Villain von Euroconsult. Milliardäre wie Elon Musk (Space X) oder Jeff Bezos (Amazon) sehen sich als die neuen Weltraumpioniere; aber auch angestammte US-Konzerne wie Boeing oder Lockheed Martin wittern das große Geschäft. Die Russen, Japaner und Inder bauen ebenfalls Trägerraketen; die Chinesen haben darüber hinaus sogar einen ersten Auftrag für den Bau eines – thailändischen – Telekomsatelliten eingeheimst.

Die Europäer hinken der Entwicklung für einmal nicht hinterher – sie dominieren den Markt sogar dank der Ariane-Rakete. Die fünfte Generation ist so pünktlich und zuverlässig wie keine Konkurrentin, kommt sie doch auf mittlerweile 76 geglückte Starts in Folge. Dafür kann die Airbus- und Safran-Tochter Arianespace die höchsten Preise am Markt verlangen. Dank der Kooperation mit der russischen Sojus und der kleinen Vega-Rakete vermag sie im europäischen Raumfahrtszentrum Kourou in Französisch-Guyana zudem alle Satellitengrößen abzuschießen.

Hispasat soll von Spanien bis Südamerika TV-Programme übertragen

Am vergangenen Wochenende startete in Kourou eine Sojus-Rakete mit dem deutschen Telekom-Satelliten Hispasat, der von Spanien bis Südamerika TV-Programme übertragen soll. Die Bremer Firma OHB platziert damit nach zehnjähriger Entwicklung einen ersten Satelliten in einem geostationären Orbit 36 000 Kilometer über der Erde. Obwohl die Öffentlichkeit davon kaum Kenntnis genommen hat, ist im weltweiten Satellitengeschäft eine wichtige Etappe erreicht. Hispasat beruht nämlich auf der revolutionären Small-Geo-Technologie, die es erlaubt, die Plattform des Satelliten in Serie herzustellen. Dieser vielfältig verwendbare Antrieb, auch „Satellitenbus“ genannt, dient Nutzlasten von bis zu 3,5 Tonnen.

Auch bei den aufkommenden Minisatelliten für das Highspeed-Internet ist Serienfertigung Trumpf. Der amerikanische Webpionier Greg Wyler hat mit dem deutschen Airbus-Chef Thomas Enders im vergangenen Jahr ein Jointventure gestartet, um die Bestandteile seines himmelsumspannenden Netzes OneWeb ins All zu schießen. In einer Fabrik in Cap Canaveral (Florida) werden die 648 Kleinsatelliten am Fließband entstehen.

Die neue Raumfahrtsära wird als „New Space“ bezeichnet

„New Space“, wie die neue Raumfahrtsära bereits genannt wird, stellt die bisherigen Produktionsabläufe auf den Kopf: Während die europäischen oder amerikanischen Ingenieure bisher jeden Satelliten in wahrer Goldschmiede-Arbeit nach Maß zusammenbauten, werden die 150 Kilo schweren One-Web-Satelliten an Roboter-Schienen entstehen – im Rhythmus von zwei Satelliten am Tag.

Die ersten One-Web-Himmelskörper sollen 2018 bereit sein. Zwei Jahre später wollen Space X und Google ihr eigenes Telekom-Netz aus mehr als 4400 Minisatelliten in Betrieb nehmen. Deren Lebenszeit wird allerdings nur fünf Jahre betragen, dreimal weniger als bei heutigen Satelliten. Das führt dazu, dass die Produktion bei One Web oder Space X ständig weiterlaufen wird. Die ausrangierten Satelliten werden im so genannten „Friedhofsorbit“ 300 Kilometer weiter im All deponiert.

Trotz Roboterisierung wird die Arbeit nicht ausgehen

Im irdischen Bereich wird die Arbeit trotz der Roboterisierung der Branche nicht ausgehen. Der neue Chef der Raumfahrtssparte von Airbus, der Franzose Nicolas Chamussy, verspricht allein für 2017 tausend Neueinstellungen. Ein Teil davon entfällt auf den Bau der neuen Trägerrakete Ariane-6. Sie soll dank einer imposanten Nutzlast von 10,5 Tonnen mehrere schwere Satelliten transportieren und damit ihre Kundenpreise um 50 Prozent senken können. Ihr Bau beginnt noch in diesem Jahr, der Erstflug soll 2020 stattfinden. Damit die Europäer auch im „New Space“ Marktführer bleiben.