Vor dem Landgericht Stuttgart ist ein Raub in Korb Gegenstand eines Prozesses. Foto: Weingand / STZN

Im Prozess gegen einen 35-Jährigen, der sie auf der Straße angriff, ist eine 92-Jährige nicht in der Lage auszusagen. Die Frau leidet bis heute unter dem Überfall im Rems-Murr-Kreis.

Korb - Die Antworten des 35-jährigen Algeriers sprudeln nur so aus ihm heraus, nur ergeben sie kaum einen Sinn. Der Dolmetscher hat alle Hände voll zu tun, dem Wortschwall des ungeduldig bis unwirsch erscheinenden Angeklagten vor der 8. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts zu folgen. Was er in einem Satz sagt, widerlegt der Angeklagte in seinem nächsten. Es wird nicht einmal klar, wie viele Geschwister er hat.

„ Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich will Strafe! Jetzt!“, fordert er unvermittelt vom Vorsitzenden Richter Ulrich Tormählen. Doch der denkt gar nicht daran: „Ich muss Sie bitten, doch noch ein bisschen mit uns zu sprechen.“ Doch alle Versuche fruchten nicht. Vorgeworfen wird dem 35-Jährigen, am 19. März eine 92-jährige Frau in Korb unvermittelt auf der Straße niedergeschlagen zu haben. Einmal sagt er, er wolle sich bei der Frau entschuldigen, im nächsten Satz behauptet er, er habe nichts getan.

Zeuge: „Es war äußerste Brutalität“

Schließlich werden die ersten Zeugen zu dem Fall vernommen. Einer von ihnen ist der Korber Gemeinderat Jürgen Klotz. Er war an dem besagten Tag mit dem Auto auf dem Weg zum Treffen des Cafe International, einer Aktion des Freundeskreises Asyl. „Mir ist aufgefallen, dass ein Mann mit Kapuze dicht hinter einer älteren Frau hergegangen ist. Wenn die sich gekannt hätten, wären sie nebeneinander gegangen, dachte ich mir“, sagt Klotz im Zeugenstand. Als er an den beiden vorbeifuhr, habe er in den Rückspiegel geschaut. „In dem Moment hat er sie niedergeschlagen“, sagt der 50-Jährige, dem anzumerken ist, dass ihn der Vorfall sichtlich mitgenommen hat. „Es war äußerste Brutalität. Er hätte ihr die Tasche auch so wegnehmen können.“

Die 92-jährige Frau – die ebenfalls auf dem Weg zu dem besagten Treffen gewesen war – wurde durch den Schlag ins Gesicht zu Boden geworfen und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt auf. Eine blutende Wunde am Hinterkopf zog sie sich dabei zu, außerdem sei ihr Gesicht verschwollen gewesen, sagen weitere Zeugen aus, die wie Jürgen Klotz der Frau sofort zu Hilfe eilten.

Den Zeugen hat „eine gewisse Wut gepackt“

„Mich hat eine gewisse Wut gepackt“, sagt Klotz, der die Verfolgung des Täters aufnahm. Gleichzeitig rief er die Polizei an und lotste diese zu dem Mann, der in aller Seelenruhe dahin gegangen sei, wie ein weiterer Zeuge beschreibt. „Ich dachte, der müsste doch rennen, aber er ist regelrecht dahin geschlendert.“ Kurze Zeit später traf die Polizei ein und nahm den 35-jährigen Angeklagten fest.

Die 92-jährige Frau sollte ebenfalls als Zeugin erscheinen. Wie der Vorsitzende Richter jedoch erklärt, sei sie nicht in der Fassung gewesen. Die Erinnerung an den Vorfall nehme sie immer noch zu sehr mit. Aus diesem Grund verzichtete das Gericht auf ihre Aussage und will stattdessen von ihrer Tochter hören, wie es ihr gehe.

Beim zweiten Tatvorwurf steht eine Einstellung des Verfahrens im Raum. Der Angeklagte soll am 29. März im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg versucht haben, sein feuersicheres Bettzeug in Brand zu stecken. Dabei entstand durch Qualm ein Sachschaden von rund 8500 Euro.