Tagsüber huscht selten ein Schatten vorüber, aber nachts hat die Universitäts-Bibliothek unerwünschte Gäste. Foto: Marc Schieferecke

Beschäftigte und Besucher der Universitäts-Bibliothek in Stuttgart beklagen sich über eine Rattenkolonie im Stadtgarten. Das Ausmaß der Plage sollen nun städtische Bedienstete vor Ort beurteilen.

S-Mitte - Das Thema taugt nicht für ein gemütliches Mittagessen. Aber bei Tisch, erzählt Karl-Stephan Quadt, „ging es eigentlich um eine Beschwerde über den Taubenturm“ auf dem Universitätsgelände. Der SPD-Bezirksbeirat saß mit Werner Stephan, dem Leiter der Universitätsbibliothek, zusammen. Die Ratten der Lüfte, sagte Stephan, seien zumindest für die Universität kein Problem, sehr wohl aber die Ratten, die im Stadtgarten hausen. Die sind eifrig beschäftigt, die Bücherei der Hochschule regelrecht zu untergraben.

Von seinem Bürofenster aus hat der Bibliotheksleiter den besten Blick auf das Revier der Nager. Deren Hauptquartier ist der stillgelegte Brunnen vor dem Haus. Welche Wege die Ratten von dort aus auf der Suche nach Fressbarem durch den Park nehmen, ist gleichsam kartiert. „Die Laufspuren sind deutlich zu sehen“, sagt Stephan. Sie führen rund um den Brunnen und enden an der Bibliotheksmauer in Löchern, hinein in Tunnel, die die Nager sich graben.

Besuche eines Habichts sind Grund zur Freude

Zwar huscht tagsüber nur selten ein Schatten übers Gras, aber „insgesamt ist die Situation unangenehm für die Besucher und die Mitarbeiter“, sagt Stephan. Sie wird auch dadurch nicht angenehmer, dass Obdachlose und andere trinkfreudige Besucher leere Bierflaschen in den Tunneleingängen deponieren. Ansonsten hat der Bibliotheksleiter einen durchaus humorvollen Blick auf die Plage. „Noch ist die Standfestigkeit des Hauses nicht gefährdet“, sagt er. Anlass zur Freude seien gelegentliche Besuche eines Habichts. Der greift sich immer wieder einen der unliebsamen Nager, aber der Hunger eines Raubvogels allein löst eben noch kein Rattenproblem.

Die Universität hatte sich bei der Stadt beklagt. Seither werden die Mülleimer im Park häufiger geleert und die Umgebung wird gereinigt. Aber die Ratten wollen ihr Revier offensichtlich nicht aufgeben, obwohl der Tisch nicht mehr so reich gedeckt ist wie zuvor. Das Problem ist durchaus bekannt. Jüngst war die Plage sogar Thema beim Preisgericht, das über die Pläne zur Verschönerung des Stadtgartens entscheiden soll. Weil Teile des Parks der Stadt gehören, andere Teile dem Land, ging die Frage, wer es zu lösen hat, allerdings eine Weile lang zwischen den Instanzen hin und her, dann geriet sie in Vergessenheit.

„Wir wurden nicht informiert“

Das soll sich ändern. „Wir wurden nicht informiert“, sagt Christine Vogel, die beim Amt für öffentliche Ordnung für vielfältige Aufgaben zuständig ist – vom Tierschutz über die Heimaufsicht bis zum „Schutz vor gefährlichen Tieren“. Zu letzteren zählen Ratten, weil sie Krankheiten übertragen, die mit Leberversagen oder auch schweren Schäden am ungeborenen Leben enden können. Anrufe wegen größerer Rattenrudel erreichten sie selten, sagt Vogel. Die meisten Beschwerden gelten „Baumrabatten, in die Leute Essensreste werfen“. Grundsätzlich und regelmäßig werden die Nager mit Giftködern bekämpft, die Mitarbeiter des Tiefbauamts in der Kanalisation auslegen. Darüber hinaus „gehen wir jedem Hinweis nach“, sagt Vogel.

Das Ausmaß der Plage vor der Uni-Bibliothek sollen nun städtische Bedienstete vor Ort beurteilen. Danach gilt es allerdings erneut die Zuständigkeiten zu klären. Verantwortlich für den Kampf gegen die Ratte „ist der Eigentümer des Grundstücks“, sagt Vogel – da kommen drei in Frage. Und es gilt punktgenau das Grundstück, auf dem die Ratten ihr Stammquartier eingerichtet haben. Sobald diese Frage geklärt ist, werden Köder ausgelegt.

Übrigens sind die Ratten der Lüfte möglicherweise nicht ganz unschuldig an der Vermehrung der Ratten der Kanäle. Dass die Zahl der Tauben kräftig gestiegen ist, seit der Schlag eingerichtet wurde, ist laut Stephan Tatsache. Und auffällig viele Ratten, sagt Vogel, versammelten sich regelmäßig „dort, wo Tauben gefüttert werden“.