Der Bürgermeister Thomas Winterhalter ist nach dem Rathaussturm fest in Narrenhand. Foto: Avanti/Ralf Poller

Mit dem Rathaussturm am Neujahrstag hat in Steinheim an der Murr (Kreis Ludwigsburg) die heiße Phase des Faschings begonnen. Noch nie nahmen an der Veranstaltung so viele Gästegruppen teil.

Thomas Winterhalter, der Steinheimer Bürgermeister, hatte sich schon sicher gefühlt. Dachte wohl, dass er dank der großen, raumgreifenden Baustelle im Ortszentrum den jährlichen Rathaussturm der Steinheimer Narren diesmal nicht fürchten musste. Weit gefehlt: Am milden Dreikönigstag, zum Wiederbeginn der Fasnetszeit, bewiesen ihm die Gloschdr-Hexa und Bebbeldrescher des 1. Fasnetsvereins Steinheim, dass sie ihn kriegen – den Schultes wie auch den Schlüssel des Rathauses.

 

Hunderte Narren und Zuschauer wurden am Montag Zeugen des närrischen Machtwechsels. Auf dem Parkdeck des Klosterparkplatzes versammelten die Närrinnen und Narren mit Daniel Arnold an der Spitze eine ansehnliche Truppe zum Angriff: „Mit 19 Gruppen haben wir so viele Teilnehmer wie noch nie“, verkündete der Erste Vorsitzende stolz. Schon seit den Mittagsstunden bevölkerten Narren, Hexen, Gardemädchen, Guggenmusiker in hübschen, originellen Kostümen oder mit teils schaurigen Masken und wildem Outfit das Zentrum der Urmenschstadt.

Der Kloster-Parkplatz ist sehr gut besucht. Foto: avanti

Für die schwungvollen musikalischen Momente sorgten die Querköpf, Guggenmusiker aus Winnenden, die bereits seit 20 Jahren zum Sturm auf das Rathaus in Steinheim blasen. Gewandet in leuchtendes Orange, Gelb und Rot, äußerlich echten Feuerwehrleuten ähnlich, trug diese „Feierwehr“ mit Schlagzeug und Blasinstrumenten einen Sound auf den Platz, der die Besucher zum Mitschunkeln anregte.

Die Gäste kommen aus der ganzen Region

Bemerkenswert war die Vielzahl wie auch die Vielfalt der Gruppen, die nach dem kurzen Umzug auf dem Parkdeck in Stellung gingen. „Rutscht zusammen, es wird eng!“ rief Arnold. Da fegten die Schwieberdinger Gagerbachhexen durch die Straßen, geschürzt mit den erbeuteten Krawattenstummeln von Schmotzigen Donnerstagen früherer Jahre. „Jede von uns“, betonte die Hexe Martina, „trägt eine ganz eigene Maske.“ Zum ersten Mal dabei und heftig beklatscht: Die Narrenzunft der Zwieblinger aus Esslingen. Mit fröhlichem „Forelle – Blau!“ wurden die Würmlesbader aus Bissingen begrüßt. Im bunten Federkleid, mit Masken und Rätschen: die Buchfinken aus Bietigheim.

Bürgermeister Thomas Winterhalter erhält ein Fußbad. Foto: avanti

Mit dieser bunten Truppe im Rücken forderte Arnold den Bürgermeister heraus: „Wir sind umgezogen und machen eben hier Rabatz.“ Auf dem Dach des Postamts hatte Thomas Winterhalter sich hinter dem kleinen Modell des alten Rathauses verschanzt und spottete zunächst: „Ihr könnt es nicht lassen.“

Arnold ließ nicht locker: „Viele Narren sind gekommen, um dich und deinen Schlüssel zu bekommen.“ Den hatte der Schultes gerade noch siegessicher vorgezeigt. Als er dann aber drohte, den Platz räumen zu lassen, ging alles ganz schnell. Eine schnelle Eingreiftruppe in Gestalt einer Gloschderhexe und eines Bebbelesdreschers erklomm den Stützpunkt des Bürgermeisters, nahm das Stadtoberhaupt fest und führte ihn vor die johlende Menge auf dem Platz, wo er das Objekt der närrischen Begierde herausgeben musste. Heftiger Beifall, als Arnold den Machtwechsel verkündete.

Auf den Schultes wartet ein Fußbad

Der Schultes musste dann, der alten Tradition folgend, ein Fußbad nehmen. Ebenfalls ein guter Brauch des Steinheimer Karnevalsvereins ist die Aufnahmezeremonie für neue Mitglieder, die so genannten Täuflinge, fünf an der Zahl in diesem Jahr: Nadine Antreter, Andreas Lang, Sabrina Gollias, Andreas Szeiberling, Marla Gollias. Eine Prüfung im Zeichen des Steinheimer Wahrzeichens, des Steppenelefanten Steppi. Einer der Täuflinge musste im Steppi-Kostüm Selfies sammeln, andere einen Steppi-Shake mixen, eine Steppi-Schokolade gießen. Die kleine Marla durfte Steppi-Luftballons aufblasen. Einen bekam der entthronte Schultes in die Hand gedrückt.

Eine fröhliche, ausgelassene Stimmung begleitete den ganzen Spaß, und die war nicht nur dem angenehmen Wetter geschuldet. Als Gast dabei war auch Ute Schwarz, Vizepräsidentin des Landesverbandes Württembergischer Karnevalsvereine aus Stuttgart. Sie sagte: „In einer solch unruhigen Zeit wie unserer ist es für die Menschen sehr wichtig, solche Gemeinschaft zu leben und zu erleben.“ Und sie wünschte sich „von der Politik mehr Unterstützung und weniger Auflagen. Für die kleine Vereine wird das immer schwieriger.“