Am 27. Jahrestage wurde der Opfer des Brandanschlags gedacht. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Bei dem Brandanschlag in der Stuttgarter Geißstraße 7, sterben am 16. März 1994 sieben Menschen und ein ungeborenes Kind. Am Dienstag gab es eine Gedenkveranstaltung für die Toten zum 27. Jahrestag.

Stuttgart - Sie hießen Athina und Kristina S., Zusanna M., Nebahat und Aynül S., Ante und Ljuba B., und ihre Namen stehen auf einer Gedenktafel am Haus Geißstraße 7. Als Opfer des Brandanschlags in der Nacht des 16. März 1994, bei dem mit der im achten Monat schwangeren Nebahat S. auch ihr ungeborenes Kind starb.

Dass das rassistische Tatmotiv damals weder in der öffentlichen Meinung, noch bei der Verurteilung des Täters und auch bis heute auf der Gedenktafel nicht genannt wird, stand im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung für die Toten zum 27. Jahrestag. „Mit dem Wissen von heute über Hanau und Halle bis zum NSU wollen wir die Kontinuität von Rassismus in Baden-Württemberg beleuchten“, fordert Dagmar Özuysal-Neu von Aufstehen gegen Rassismus Stuttgart Klartext. Sie erinnere sich genau an den Morgen nach dem Brand, der im Treppenhaus des vorwiegend von türkeistämmigen Menschen, Asylsuchenden und Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien bewohnten Hauses gelegt worden war: Rassismus sei ihr erster Gedanke gewesen. Doch Andreas H., der 25-jährige Täter aus Esslingen, sei vor Gericht trotz vieler rassistischer Indizien als psychisch labil eingestuft worden.

Kritik an Helmut Kohl

Taner Özuysal erinnerte an das Erstarken der Rechten seit 1990, nannte Hoyerswerda, Rostock und Solingen und prangerte an, dass Kanzler Kohl an keiner einzigen Trauerfeier teilgenommen habe: „Dann 1994 Stuttgart, wo man den rassistischen Hintergrund nicht wahrhaben wollte, um keine antifaschistischen Proteste hervorzurufen.“ Obwohl es auch in Baden-Württemberg seit 1990 insgesamt 16 Todesopfer rechter Gewalt gebe. Aber man werde nicht schweigen und die Tatsache so lange wiederholen, bis auch auf der Gedenktafel Klartext stehe.

„Der Staat schaut bewusst nicht genau hin“, heißt der Vorwurf von Anil Besli von der migrantischen Selbstorganisation Migrantifa. „Wir haben sie am Tag nach dem Anschlag von Hanau gegründet, dem am 19. Februar 2020 neun Menschen zum Opfer gefallen sind. Denn wir sind allein gelassen, niemand hat uns geholfen, niemand hat uns beschützt, wir müssen uns selber helfen.“ „Wir müssen einschreiten und der Hetze von Rechts den Nährboden entziehen“, heißt der gemeinsame Appell der Veranstalter, zu denen auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, das Tribunal NSU-Komplex auflösen und Leuchtlinie, die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, zählen.