Während der Bauarbeiten im Engelbergtunnel gilt nachts Tempo 60, tagsüber Tempo 100. Foto: Regierungspräsidium Stuttgart

Was für ein Wahnsinn: Mit 200 Kilometern pro Stunde ist ein junger Mann an einer Baustelle vorbei durch den Engelbergtunnel gerast. Bauarbeiter berichten von rücksichtslosen Autofahrern, die gern Gas geben.

Leonberg - Der Schnellste hatte ein Tempo von 206 Kilometern pro Stunde drauf. Dabei ist während der nächtlichen Bauarbeiten im Engelbergtunnel auf der Autobahn 81 nur Tempo 60 erlaubt. „Das Ergebnis verschlug auch erfahrenen Autobahnpolizisten fast die Sprache“, heißt es im Bericht des Ludwigsburger Polizeipräsidiums über eine Verkehrskontrolle in der Nacht zum Dienstag. In der Zeit zwischen 23 Uhr und 2 Uhr waren sechs Autofahrer um mehr als 41 Kilometer pro Stunde schneller als erlaubt.

Die in dem Tunnel tätigen Bauarbeiter hatten die Polizei auf den Plan gerufen. „Man nimmt keine Rücksicht“, sagt Martin Appel vom Bauunternehmen Dürr über das Fahrverhalten auf der Autobahn, „in der Nacht sowieso nicht.“ Im Durchschnitt sind rund 15 Mitarbeiter der von Dürr und Siemens gebildeten Arbeitsgemeinschaft nachts in dem Tunnel tätig. Vor den Autofahrern schützt sie fast nichts: Die gesperrten Spuren sind nur mit den rot-weiß gestreiften Baken von der Fahrbahn abgetrennt und nicht durch eine Betonwand. Denn tagsüber soll der Verkehr wieder fließen, und die Absperrung wird abgebaut. „Die Autos rasen in einer Entfernung von ein bis zwei Metern an uns vorbei“, beschreibt Martin Appel die Situation, die er eigentlich unbeschreiblich findet. „Das muss man selbst erleben“, sagt er. Von den Unternehmen wurde bisher aber noch kein Mitarbeiter bei einem Unfall verletzt. Auf einer anderen Baustelle der Firma, an der A 3 ,ist allerdings vor zwei Wochen ein Autofahrer auf ein Fahrzeug aufgefahren.

Bei diesem Tempo fehlt jede Kontrolle

„So eine Geschwindigkeitsüberschreitung birgt ein enormes Gefahrenpotenzial“, sagt Peter Widenhorn. Bei 206 Kilometern pro Stunde habe der Fahrer keine Kontrolle mehr über sein Auto, erklärt der Polizeisprecher. „Den erschreckenden Höhepunkt“ der nächtlichen Verkehrskontrolle bildete eben ein 21-jähriger Fahrer eines Mercedes, der gegen 0.35 Uhr durch die Röhre raste. Für ihn fallen Bußgeld und Fahrverbot deutlich höher aus, als für die anderen fünf Fahrer, die zu schnell waren. Sie müssen neben 160 Euro Bußgeld und zwei Punkten mit einem Fahrverbot rechnen.

„Von Bauarbeitern an Autobahnen kommen relativ häufig Beschwerden über Geschwindigkeitsüberschreitungen“, sagt Peter Widenhorn. Da die Arbeiten direkt im Bereich der Fahrbahn unter Sperrung von einzelnen Fahrstreifen stattfinden, ist laut Regierungspräsidium die Begrenzung auf 60 Stundenkilometer aus Arbeitsschutzgründen erforderlich. „Die Sicherheit der in unserem Auftrag tätigen Beschäftigten ist uns ein sehr wichtiges Anliegen“, teilt die Behördensprecherin Katja Lumpp mit. In der Nacht wird gearbeitet, um wiederum die Belastung der Autofahrer gering zu halten. Geschwindigkeitsüberschreitungen „beobachten wir leider häufig“, ergänzt sie.

Dem Gefühl Martin Appels nach fahren die meisten Autofahrer bei vorgeschriebnen 60 Kilometer pro Stunde etwa 80, und bei Tempo 80 etwa 100. Im Engelbergtunnel hielten sich die wenigsten an die Vorgaben, sagt er, 20 Kilometer pro Stunde zu schnell ist für ihn schon normal. „So ein Tunnel ist verführerisch: Je mehr man Gas gibt, desto besser klingt es“, sagt er über die Motivation der Raser – „und nachts kann man erst recht richtig Gas geben.“