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Sido, der mit bürgerlichem Namen Paul Würdig heißt, trägt schon lange keine Maske mehr. Und ganz so der harte Rapper will der Junge aus dem Block auch nicht mehr sein. Am Freitag ist er in Stuttgart im LKA zu Gast.

Stuttgart - Sido, der mit bürgerlichem Namen Paul Würdig heißt, trägt schon lange keine Maske mehr. Und ganz so der harte Rapper will der Junge aus dem Block auch nicht mehr sein. Auf seinem neuen Album „Aggro Berlin“ erzählt er erstmals von seiner Kindheit in Ostdeutschland. Am Freitag ist er in Stuttgart im LKA zu Gast.

Herr Würdig, wie haben Sie denn den 9. November 2009 verbracht?

Was war denn da? Ach, ich habe ein Video zu meiner neuen Single gedreht. Das ging den ganzen Tag lang. Doch einmal da habe ich in den Raum reingerufen: "Fröhliche Wiedervereinigung, meine Freunde".

Auf Ihrem jüngsten Album "Aggro Berlin" bekennen Sie sich zum ersten Mal zu Ihrer ostdeutschen Vergangenheit. Warum erst jetzt?

Als ich in den Westen rübergekommen bin, hatte ich viele Probleme mit anderen Kindern, die mich geärgert haben. Es war auf einmal nicht mehr der Brillenträger, der prädestiniert dazu war, fertig gemacht zu werden, sondern der Ostler. Ich war noch dazu Brillenträger und Ostler. Keiner im Märkischen Viertel wusste von meiner Ostler-Vergangenheit. Als ich angefangen habe zu rappen, fanden wir Westler-Rapper uns besser als die aus dem Osten. Wir haben das sehr propagiert. Ab da habe ich in meiner Lüge viel zu tief dringesteckt. Einer der Anführer des West-Berlin-Hypes konnte ja kein Ostler sein.

Haben Sie sich nicht komisch dabei gefühlt?

Doch manchmal ja. Aber ich fand mich cool und habe nicht viel darüber nachgedcht.

In dem Song "Hey Du!" heißt es: "Ich war ein stolzer Pionier".

Das war ich auch. Obwohl alles sehr ordentlich sein musste, das Hemd adrett gebügelt, das Tuch richtig geknotet. Autoritäten kann ich nicht so sehr leiden. Deshalb war diese Pionierzeit sehr anstrengend für mich. Aber uns Blautüchern wurde beigebracht, sehr stolz zu sein.

Wie alt waren Sie, als Sie mit Ihrer Mutter in den Westen gegangen sind? An was erinnern Sie sich?

Ich war neun Jahre alt. Und wir sind nachts rübergegangen, haben vorher unseren ganzen Hausstand verkauft. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, weiß aber noch, dass ich bei Mama im Arm war. Die Tage danach sind mir mehr im Kopf als die Aktion selbst. Da habe ich meinen ersten Döner gegessen.

Wie viel "Aggro Berlin" gibt es in Berlin heute noch?

Berlin ist immer noch eine sehr anstrengende Stadt. Die haben das aber sehr gut hingekriegt, dass diese sozialen Brennpunkte eher außerhalb sind. Kreuzberg oder so kann man nicht mehr als gefährlich bezeichnen. Die Problembezirke verlagern sich immer mehr an den Rand.

Sie haben lange im Märkischen Viertel gewohnt, das sie auch in Ihrem Song "Mein Block" besungen haben. Wie wichtig sind Blocks für eine Stadt wie Berlin?

Ein Block ist nicht wichtig. Je behüteter ein Mensch aufwächst, desto weniger Sorgen hat er. Und das gönne ich jedem Menschen. In den Sozialbaus, wo die Wohnung vom Sozialamt bezahlt wird, zieht man sich gegenseitig herunter.

Sie sind vom Märkischen Viertel, Ihrem Block, nach Mitte gezogen. Hat Sie der Erfolg auch sonst verändert?

Natürlich. Es wäre unauthentisch, das zu leugnen. Deswegen sehe ich anders aus, sage ich andere Dinge und habe andere Intentionen, Lieder zu schreiben. Heute will ich aus meinem Status etwas machen. Bis vor kurzem lag mein Hauptaugenmerk darauf, mich um mich selbst zu kümmern und an den Punkt zu gelangen, dass ich zufrieden bin. Das sollte jeder so machen. Wenn man so lange arbeiten will, dass man einen goldenen Kronleuchter zuhause hat, ist das okay. Aber dann sollte man zufrieden sein. An dem Punkt bin ich angelangt.

Dieser goldene Kronleuchter - was ist das in Ihrem Fall?

Der Punkt ist es bei mir, dass ich keinen Hunger haben muss. Und dass ich mir die neue Playstation bestellen kann und sie am nächsten Morgen habe. Für mich ist Luxus, das machen zu können, was ich will. Ich bin sehr spartanisch und brauche nicht viel im Leben.

Es gibt Fans, die den harten Sido vermissen.

Um die tut es mir natürlich ein bisschen leid. Aber ich mache nun mal keinen "Arschficksong" mehr. Die sollen die alte Musik hören. Ich könnte nicht zufrieden einschlafen, wenn ich etwas anderes tue, als ich wirklich bin.

Sie schimpfen auf Ihrem neuen Album über Formate wie Popstars, saßen aber in der Jury neben Detlef D. Soost. Warum?

Ich wollte dahin. Ich habe bis jetzt jede Staffel geguckt und wusste, dass ich das besser kann. Ich wollte eine Band herausbringen, auf die wir alle stolz sein können. Da wurde ich eines besseren belehrt.

Die Band Queensberry ist ja nicht unbedingt sehr erfolgreich.

Das nicht. Aber auf dieses Mädchen, die Gabby, die ich da entdeckt habe, bin ich schon stolz. In dieser Sendung wird aber kein großes Augenmerk auf die Musik gelegt.