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Der Popstar von morgen kommt aus Stuttgart und heißt Cro – Wie man im Jahr 2012 berühmt werden kann.

Stuttgart - Er nennt sich Cro, trägt immer eine Pandamaske und ist Phänomen wie auch Phantom. Für seine kleine Plattenfirma Chimperator ist der gut gelaunte Rapper ein Glücksgriff. Und er bringt Stuttgart als Hip-Hop-Hochburg auf die Landkarte zurück.

Es ist eng und heiß im Stuttgarter Club Universum. „Hey Kids, ich bin Carlo, werft den Arm hoch und gebt mir ein Hallo“, singt Cro von der Bühne. Die jungen Menschen rufen „Hallo“ zurück. So ist das also, wenn ein Internetphänomen in der Realität zum Popstar taugt.

Cro ist Phantom. Und Phänomen

Cro trägt enge Jeans, Ringelshirt und Pandamaske. Cro ist Phantom. Und Phänomen. Und er bringt Stuttgart als Hip-Hop-Hochburg auf die Landkarte zurück. Seine allererste Tour, die ihn von Hannover über München und Köln bis nach Kiel führt, ist komplett ausverkauft. Und das noch bevor ein Handzettel gedruckt und ein Plakat aufgehängt war.

Für Cro geht es steil bergauf mit der Karriere. Ende Mai tritt er bei Deutschlands größtem Festival, bei Rock am Ring, auf. Bei den Stuttgarter Hip-Hop Open ist er zu Gast. Und das alles, bevor sein erstes Album erscheint. Bisher gab es seine Musik ausschließlich im Internet. Und für umsonst. Dann wurde die Single in den Handel gebracht. Cro, der mit bürgerlichem Namen Carlo Waibel heißt, eine Ausbildung zum Mediengestalter im Stuttgarter Pressehaus gemacht hat und T-Shirts designt, nimmt das Buhei um die Kunstfigur Cro gelassen. „Ich dachte immer, dass ich etwas erreichen kann“, sagt Carlo, um dessen Alter genauso viele Mythen ranken wie um seine Person. Offiziell heißt es, er sei 20 Jahre alt.

Cro: „Wenn meine Musik eine Farbe wäre, dann wäre es Orange“

Der Erfolg von Cro zeigt, wie das Musikbusiness im Jahr 2012 funktionieren kann. Oder: wie es anders funktioniert. Und auch schneller. Das virtuelle Lebenszeichen von Cro war das „Easy“-Video, das im November vergangenen Jahres auf You Tube hochgeladen wurde. Es dauert ein paar Tage, und der Server seiner Plattenfirma Chimperator stürzte ob des Ansturms ab. Mittlerweile wurde es über zwölf Millionen Mal angeklickt. Eine Sensation. Stuttgart sieht in dem Clip eher nach Kalifornien aus. Das Lied ist mehr als Hip-Hop, eher Pop. Die Älteren erkennen sofort die Melodie des Bobby-Hebb-Klassikers „Sunny“. „Wenn meine Musik eine Farbe wäre, dann wäre es Orange“, sagt Carlo am Nachmittag vor seinem Auftritt. Er weiß, dass seine Musik in ihrer lebensbejahenden Leichtigkeit für den Sommer gemacht ist.

In das Büro von Kodimey Awokou (31), einem der Geschäftsführer von Chimperator, fallen ein paar Sonnenstrahlen. Im sechsten Stock eines Eckhauses am Stuttgarter Rotebühlplatz hat er einen tollen Blick über die Stadt. Hinter ihm an der Wand hängt der Konzertplan von Cro und von der Gruppe Die Orsons. Seit über zehn Jahren gibt es die Firma. Das, was gerade mit Cro passiert, „ist auch für uns eine Abenteuerreise“, so Awokou, selbst Rapper. Neben ihm sind Steffen Posner, Niko Papadopoulos und Sebastian Andrej Schweizer Geschäftsführer der Firma mit Sitz in Stuttgart und Berlin. Es gibt ein paar Mitarbeiter, dazu kommen Grafiker und Musikproduzenten. Kodimey sagt „Familie“, wenn er von seiner Firma spricht. Und diese „Familie“ erfährt dank dem Neuzugang Cro sehr viel Aufmerksamkeit derzeit.

„So einen Hype hat es im Deutschrap noch nicht gegeben.“

Inzwischen hat Cro mehr als 600 000 Freunde auf Facebook. Zum Vergleich: Angela Merkel oder auch Herbert Grönemeyer haben keine 200 000, Moderatorin Sarah Kuttner knapp über 30 000. Musikerkollege Jan Delay sagte über Cro, er sei „die Zukunft von Deutschrap“. „Spiegel online“ und das „ZDF-Morgenmagazin“ haben über den Rapper aus Stuttgart bereits berichtet. Das Hip-Hop-Fachmagazin „Juice“ schreibt: „So einen Hype hat es im Deutschrap noch nicht gegeben.“ Thomas Gottschalk hatte in seiner Sendung dazu aufgerufen, dass Cro doch seine Maske bei ihm abziehen sollte. Cro reagierte nicht darauf. „Das mit der Maske ist toll“, sagt Carlo, ein dunkelhaariger Typ mit schmalem Gesicht. „Ich kann unerkannt über die Königstraße laufen.“ Die Pandamaske, die man natürlich als etwas kindisch empfinden kann, ist sein Schutzschild. Wenn er die aufhat, ist Carlo Cro. Der Rapper im Rampenlicht.

Für die kleine Firma aus dem Independent-Bereich ist der Erfolg von Cro der Lohn für die Mühen. „Wir haben mit Chimperator zehn Jahre auf diesen Punkt, an dem wir jetzt sind, hingearbeitet“, sagt Sebastian Andrej Schweizer (33), Geschäftsführer von Chimperator. Die bis dato erfolgreichsten Künstler, die bei Chimperator unter Vertrag sind, sind Die Orsons, die jetzt mit Herbert Grönemeyer auf Tour gehen. Schweizer hat Informationswirtschaft an der Hochschule der Medien studiert. Das Thema seiner Diplomarbeit war: „Gründung eines Labels“. Er weiß, wovon er schreibt. So ist er doch Gründungsmitglied von Chimperator. Der Name Chimperator ist ein Wortspiel aus dem englischen Begriff für Schimpanse und Imperator.

Der Hype um Cro toppt alles Dagewesene

Der Hype um Cro toppt jedoch alles bisher Dagewesene. Die Single hat in den iTunes-Charts Silbermond und Die Toten Hosen überholt. Dann wurde das Lied auch wirklich noch auf CD veröffentlicht, nachdem es schon im Internet überall zugänglich war. Das Ergebnis: Platz 2 der deutschen Charts. „Einen Hit kann man nicht planen“, sagt Awokou. Er kann sich gut erinnern, als er das erste Mal etwas von diesem Typen namens Cro gehört hat. Über das Internet wurde er auf Carlo aufmerksam. Dann haben sie sich zusammengesetzt, es hat auch menschlich gepasst. „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so talentiert ist“, sagt Awokou. „Der schreibt über Nacht ein, zwei Hits.“ Inzwischen hat Chimperator Angebote von allen großen Plattenfirmen abgelehnt, um sich selbst um Management, Plattenveröffentlichung und Konzerte zu kümmern. In der Branche wird dies das 360-Grad-Modell genannt, wenn alles aus einer Hand kommt. Bis jetzt verdient die Firma noch nicht an der Musik, die umsonst im Internet zur Verfügung stand. Aber an Cro-Devotionalien wie Kapuzenpulli mit Panda-Druck auf der Brust. Und auch an den Konzertkarten.

„Cro steht exemplarisch für eine Trendwende im deutschen Hip-Hop“, sagt Johannes „Strachi“ Graf Strachwitz, Geschäftsführer von 0711 Entertainment und Veranstalter der Hip-Hop Open. Nach den Jahren des Gangster-Rap von Bushido, Sido und Konsorten kommt da ein possierlicher Rapper mit Pandamaske um die Ecke und erzählt von den Sonnenseiten des Lebens. Von erster Liebe und erstem Rausch. Die Mädchen, die beim Einlass alle ihre Ausweise vorzeigen müssen, sind entzückt. Sein Album wird im Juli erscheinen. Es wird den Titel „Raop“ tragen. Eine Wortneuschöpfung aus „Rap“ und „Pop“. In zwei Monaten entstanden die Lieder dafür im Keller im Haus der Mutter in der Nähe von Stuttgart. Da könne er laut sein, auch mitten in der Nacht. „Schließlich weiß man ja nie, wann die Kreativität kommt“, sagt Carlo.

Passenderweise erscheint Stuttgart genau jetzt wieder auf der Hip-Hop-Landkarte, wenn bei dem Festival Hip-Hop Open in Cannstatt die Stuttgarter „Kolchose“ auf die Bühne zurückkehrt. Gegründet hatte sich der lose Zusammenschluss Stuttgarter Rapper 1992. Zwanzig Jahre später werden Protagonisten wie Max Herre, Afrob oder die Massiven Töne in Originalbesetzung wieder gemeinsam auf der Bühne stehen. In ihrer „Mutterstadt, der Motorstadt am Neckar“, wie die Massiven Töne sprechsangen. Heute singt Cro auf der Bühne: „Ich hab’ keinen Benz vor der Tür, kein Cent für’n Bier, doch ich spür’: Irgendwann wird es anders.“ Alle wissen, dass er wohl recht behalten wird. Ein Popstar ist Cro nicht. Nach dem Konzert nimmt er die Maske ab, zieht sich ein frisches T-Shirt über – und steht einfach so unter seinen Fans. Niemand erkennt ihn.