Wie schon bei der vergangenen Rallye Dakar, werden die Minis auch 2016 wieder gehörig Staub und Sand aufwirbeln. Foto: dpa

Ein technisch erstklassiges Auto ist Voraussetzung für einen Triumph bei der fordernden Rallye Dakar – doch noch wichtiger ist, dass die Besatzung für die extremen Bedingungen täglich neu gerüstet ist.

Buenos Aires - Trainiere in der Ebene, schlafe in der Höhe – so lautet die Vorgabe für Rennfahrer, die sich an sauerstoffarme Luft gewöhnen müssen. Weil es dabei nicht ausreicht, oben in einem Stockbett zu nächtigen, sind die Piloten des X-Raid-Teams aus Trebur in Hessen bei der Vorbereitung auf die Rallye Dakar in hypoxische Zelte geschlüpft, in die Luft gepumpt wird, deren Sauerstoffgehalt dem angepasst werden kann, wie er zwischen 3000 und 5000 Metern herrscht. Die Königin aller Langstrecken-Rallyes, die an diesem Sonntag in Buenos Aires beginnt, stellt die Offroad-Fahrer vor eine extreme körperliche Herausforderung – 9246 Kilometer sind zu bewältigen, dabei befindet sich der Tross vier Tage (zwei Tage länger als bislang) auf extremer Höhe. „Wir fahren zwischen 3000 und 5000 Metern“, sagt Mathieu Baumel (Frankreich), Copilot von Titelverteidiger Nasser Al-Attiyah (Katar), „das ist eine enorme Anstrengung. Falls man die Konzentration verliert, massive Kopfschmerzen bekommt oder einem schlecht wird, ist das ein ernstes Problem.“

Al-Attiyah litt 2015 in Bolivien unter dieser Höhenkrankheit; die gebräuchlichen Medikamente sind wegen der Doping-Bestimmungen verboten. „Ich habe versucht, durchzukommen, was nicht einfach war“, erinnert sich der Katari, „diesmal bereite ich mich sehr sorgfältig vor.“ Der 44-Jährige will seinen Titel verteidigen, die härtesten Gegner kommen erneut aus dem eigenen Team – X-Raid schickt zwölf Minis ins Rennen, vier davon sind mit Topstars besetzt. Neben Al-Attiyah kämpfen die ausgewiesenen Dakar-Spezialisten Nani Roma und Orlando Terranova um die kürzeste Strecke, zudem pilotiert Dakar-Neuling Mikko Hirvonen, viermaliger Vizeweltmeister der Rallye-WM, einen der 320 PS starken und bis zu 180 km/h schnellen kleinen Flitzer.

Mini gilt als Topfavorit

Mini gilt als Topfavorit, seit 2012 kommt der Gewinner stets aus dem X-Raid-Team. Der Armada von Peugeot, für die Dakar-Legende Stephane Peterhansel ins Cockpit klettert und bei der WRC-Rekordchampion Sebastien Loeb seine Dakar-Taufe erhält, werden Außenseiterchancen eingeräumt. „Ich werde Zeit zum Lernen benötigen“, betont Loeb, „bisher konnte ich erwarten, wie die Straße vor mir aussehen würde. Hier geht es viel mehr um Improvisation.“

Die schnelle Anpassung an die Bedingungen in der Höhe ist ein Aspekt, der im Kampf um die Spitze eine große Bedeutung spielt – auch die Ernährung während der Etappe und direkt danach ist ein entscheidender Faktor. Jedes Crew-Mitglied hat drei Liter Flüssigkeit an Bord, eine Lösung aus Kohlehydraten und Nährstoffen, dazu kommen Energieriegel und -gels, Fruchtmus sowie Mini-Salamis mit hohem Salzgehalt. „Es ist nicht einfach, während des Fahrens zu essen und zu trinken“, sagt Beifahrer Baumel, „zudem haben wir festgelegte Zeiten, um eine kontrollierte und konstante Nahrungsaufnahme zu gewährleisten.“ Selbstverständlich ist pro Person auch ein Überlebenspakte im Auto, das einen im Notfall mit über 1500 Kalorien versorgt. „Das ist in der Wüste ein absolutes Muss“, sagt der Franzose. Im Ziel hat X-Raid die Maßgabe ausgegeben: Innerhalb der ersten 30 Minuten muss gegessen und getrunken werden, um eine optimale Regeneration zu gewährleisten.

Denn im Biwak muss über Nacht nicht nur an den Autos geschraubt werden, auch die Besatzungen bedürfen intensiver Pflege. „Wir sehen nach unten aufs Roadbook“, sagt Baumel, „und können uns nicht auf ein Hindernis oder einen Sprung vorbereiten, Nacken und Kopf werden sehr beansprucht.“ Bei X-Raid kümmern sich drei Physiotherapeuten um Fahrer und Beifahrer – ihr Repertoire reicht von Massagen, Lymphdrainage, osteopathische Behandlung bis hin zu Kinesio-Tapes. „Nach bis zu zehn Stunden in den Sitzen haben die Crews Probleme mit dem Rücken, der Lendenwirbelsäule und dem Gesäß“, sagt Physio-Chefin Annett Fischer, die sich als Menschen-Mechanikerin sieht. „Wir reparieren die Crews nach jeder Etappe, damit sie am nächsten Tag wieder fit sind.“ Zwar spielt bei der Dakar das Fahrzeug eine entscheidende Rolle, oberste Priorität besitzt immer noch der Mensch. Ohne Besatzung kommt auch das überlegenste Auto nicht ins Ziel.