Die ehemalige RAF-Terroristin, Verena Becker, sitzt in Stuttgart neben ihrem Anwalt Hans Wolfgang Euler in einem Gerichtssaal des Oberlandesgerichtes Stuttgart. (Archivbild vom 30.09.10) Foto: dapd

Der Journalist Nils von der Heyde hat vor Gericht eine Tatbeteiligung Beckers in den Raum gestellt.

Stuttgart - Der Journalist Nils von der Heyde hat im Prozess gegen die frühere RAF-Terroristin Verena Becker eine Tatbeteiligung der Angeklagten in den Raum gestellt. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart sagte der 73-Jährige am Donnerstag, dass ihm der frühere Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Christian Lochte, kurz nach dem Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback am 7. April 1977 gesagt habe, dass Becker die tödlichen Schüsse abgegeben habe. Die Generalbundesanwaltschaft und Beckers Verteidiger zogen die Aussage in Zweifel.

Informationen vom Hörensagen

Laut von der Heyde sagte Lochte wenige Tage nach dem Anschlag, dass „die Sola“ - ein Deckname Beckers - geschossen hätte, obwohl in den Medien von Ermittlungen gegen die Terroristen Knut Folkerts, Christian Klar und Günther Sonnenberg die Rede war. Woher Lochte die Informationen hatte, konnte von der Heyde nicht sagen. Am Donnerstag räumte der frühere Journalist ein, dass er nicht beurteilen könne, ob die Aussage richtig sei, da Lochte ihm etwas vom Hörensagen mitgeteilt habe.

Darüber hinaus soll der Verfassungsschützer von der Heyde anvertraut haben, dass Generalbundesanwalt Buback als „sehr erfolgreicher Jäger von Ost-Agenten“ einer Reihe von Leuten ein Dorn im Auge gewesen sei. Der Journalist sagte zudem, dass Becker zum Zeitpunkt des Anschlags nach Informationen von Lochte bereits mindestens ein Jahr mit dem Verfassungsschutz gearbeitet habe. Lochte soll von einer möglichen Intrige gesprochen haben.

Wegen Michael Bubacks Buch jetzt ausgesagt

Auf die Frage, weshalb er sein Wissen erst im Februar 2011 öffentlich machte, sagte der 73-jährige von der Heyde, dass ihn das Buch von Bubacks Sohn Michael dazu veranlasst habe. Ihn und den 1991 verstorbenen Lochte habe ein Vertrauensverhältnis verbunden.

Zweifel an von der Heydes Aussage

Die Generalbundesanwaltschaft legte jedoch dar, dass von der Heyde in seiner Laufbahn Informationen mit Mitteln des investigativen Journalismus an die Öffentlichkeit gebracht habe. Dass er es gerade im Fall Becker mit seinem Ethos vereinbaren könne, Informationen über 34 Jahre zurückzuhalten, erscheine daher zweifelhaft.

Von der Heyde wehrte sich gegen den Vorwurf. Wenn er sein Wissen nach 1991 öffentlich gemacht hätte, wäre ihm vorgeworfen worden, etwas dem Hörensagen nach vorzubringen. „Und das ist ja auch heute so.“

Beckers Verteidiger Hans Wolfgang Euler fragte von der Heyde, ob Lochte den Präsidenten des Bundeskriminalamts, Horst Herold, der mit dem Verfassungsschützer bekannt war, nicht über die Täterschaft der RAF-Terroristin informiert habe. Der Journalist sagte, dass er es nicht wisse, es sich aber nicht vorstellen könne.

Buback bezweifelt Haargutachten

Der Nebenkläger und Sohn Siegfried Bubacks, Michael, zog im Laufe des Prozesstages zudem ein Haargutachten in Zweifel. Die Gutachter hätten nicht berücksichtigt, wann die untersuchten Haare auf die Kleidungsstücke gekommen seien.

Eine Färbung verändere die Haare, deshalb sei es wichtig zu wissen, wann die untersuchten Haare ausgefallen seien. Buback und die Vertreter der Bundesanwaltschaft gerieten am Donnerstag in der Frage aneinander, weshalb der Hinweis eines Zeugen vom 7. April 1977 nicht weiter geprüft worden sei. Dieser hatte nach Angaben eines Polizeibeamten ausgesagt, in den Tagen vor dem Anschlag immer wieder zur nahezu selben Zeit ein Motorrad mit zwei Personen gesehen zu haben. Eine Person sei weiblich gewesen.