Das war die geplante Route des Sturzopfers – der Unfall war aber woanders... Foto: Grafik Yann Lange

Ein Verletzter ohne Erinnerung, ein unbekannter Unfallort, ein verschwundenes E-Bike: Ein rätselhafter Unfall im Stadtteil Rohr beschäftigt die Polizei. Jetzt bringt eine Zeugin mehr Licht ins Dunkel.

Stuttgart - Es ist ein Fall mit vielen Fragezeichen: Bei einer Arztpraxis in Rohr wurde ein Schwerverletzter abgeliefert, der mit seinem E-Bike verunglückte. Der 72-Jährige konnte sich an nichts erinnern, der Unfallort war nicht bekannt, sein Elektro-Fahrrad zudem spurlos verschwunden. Gestohlen? Versteckt? Und wer waren die Zeugen?

So lautete das Radunfall-Rätsel, vor dem die Polizei seit vergangenen Donnerstag steht. Nun aber kommt mehr Licht ins Dunkel. Weil nicht nur die Polizei, sondern auch die Ehefrau des Verunglückten ermittelt hat. Ähnlich erfolgreich wie Miss Marple.

Die Polizei findet keinerlei Spuren

Ausgangspunkt ist eine Arztpraxis in der Waldburgstraße in Rohr, wo Passanten am Donnerstag gegen 11.30 Uhr einen Schwerverletzten vorbeibrachten. Der Mann sei in hilfloser Lage gefunden worden, die Personalien der Helfer seien nicht bekannt, heißt es im Protokoll des zuständigen Polizeireviers. Auch der 72-Jährige konnte nicht viel zur Klärung des Falls beitragen: Ihm fehlte zu dem Unfall jedwede Erinnerung. Mit schweren Gesichts- und inneren Verletzungen wurde der Mann in ein Krankenhaus eingeliefert.

Die Ermittlungen der Polizei gerieten ins Stocken. Es war nur bekannt, dass der 72-Jährige am Hans-Rehn-Stift, einem Seniorenwohnheim an der Supperstraße, losgeradelt war. Er wollte zum Haus Rohrer Höhe an der Musberger Straße. Die beiden Gebäude liegen nicht weit auseinander. Mit dem Fahrrad sind dies, je nach Route, nur 600 bis 750 Meter. Allerdings: Auf der Strecke waren weder Unfallspuren noch das E-Bike des Betroffenen, ein Stevens-Rad mit Bosch-Antrieb, zu finden.

Ehefrau ermittelt wie Miss Marple

Inzwischen hat sich die Ehefrau des Verunglückten eingeschaltet. „Sie konnte mit der zunächst unbekannten Passantin Kontakt aufnehmen, die dem Mann geholfen hatte“, sagt Polizeisprecher Thomas Geiger. Ein Ermittlungserfolg, der dadurch zustande kam, dass die Ehefrau einfach bei der Arztpraxis anrief und dort den Namen und die Telefonnummer der Helferin mitgeteilt bekam. Offensichtlich waren die Daten vom Praxispersonal doch erhoben worden.

Mit diesem Informationsvorsprung gingen die weiteren Ermittlungen der Ehefrau fast wie von selbst. Die hilfreiche Passantin teilte der Miss Marple mit, dass sie den Mann in der Waldburgstraße vor dem Gebäude 100 auf dem Boden liegend gefunden habe. Von dem Unfall selbst habe sie aber nichts mitbekommen. Die Helferin löste auch ein weiteres Rätsel: Das Fahrrad habe sie in Verwahrung genommen, damit es nicht gestohlen wird. So war auch der Fall des verschwundenen E-Bikes gelöst.

Bleibt nur noch die Frage, ob der Fahrradunfall durch einen Sturz oder eine Kollision mit einem Auto verursacht wurde. Unklar ist auch, warum sich der Unfall 1,1 Kilometer vom eigentlichen Ziel entfernt und in ganz anderer Fahrtrichtung abspielte. „Der Verletzte“, sagt der Polizeisprecher, „ist dazu weiterhin ohne Erinnerung.“