Die Absturzermittlungen in der Ukraine gehen weiter. Derweil tauchen neue Fragen auf. Foto: EPA

Für viele Angehörige ist der Umgang mit den Toten nach dem MH17-Absturz unerträglich. Jetzt übernehmen allmählich internationale Experten die Arbeit. Russland provoziert mit Angaben über ein ukrainisches Kampfflugzeug nahe der Boeing neue Fragen.

Für viele Angehörige ist der Umgang mit den Toten nach dem MH17-Absturz unerträglich. Jetzt übernehmen allmählich internationale Experten die Arbeit. Russland provoziert mit Angaben über ein ukrainisches Kampfflugzeug nahe der Boeing neue Fragen.

Kiew - Die Empörung über die Zustände nach dem Flugzeugabsturz in der Ostukraine zeigt Wirkung. Die prorussischen Separatisten, die die Region um das Trümmerfeld kontrollieren, verhielten sich am Montag kooperativer. Zugleich laufen die Aufklärungsbemühungen internationaler Experten an. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kündigte für das Umland der Absturzstelle eine Feuerpause an. Das russische Militär forderte die Ukraine auf, Auskunft über ein Kampfflugzeug zu geben, das sich vor dem Absturz der Boeing 777-200 genähert haben soll.

Die Passagiermaschine mit der Flugnummer MH17 war vergangenen Donnerstag auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ostukraine möglicherweise abgeschossen worden. Die USA vermuten Separatisten dahinter.

Nach Angaben der Regierung in Kiew in dem 34 Quadratkilometer großen Suchgebiet bis Montagnachmittag Leichen und Leichenteile aller 298 Opfer gefunden. Die Bergungsarbeiten seien eingestellt worden.

"Ein Verhalten jenseits von Zivilisation"

Beobachter befürchten, dass wegen der anfänglichen Behinderungen durch die Separatisten und mutwilliger Eingriffe in das Trümmerfeld eine sachgemäße Ursachenermittlung nicht mehr möglich ist. Angehörige beklagten sich über den Umgang mit den Leichen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte die Separatisten am Absturzort scharf. „Das ist ein Verhalten jenseits von Zivilisation, das wir dort gegenwärtig erleben.“

Der UN-Sicherheitsrat sollte noch am Montag über eine Resolution zum Absturz der Maschine abstimmen.

Ein Team niederländischer Spezialisten inspizierte erstmals drei Kühlwaggons in der nahe gelegenen Ortschaft Tores, in denen die sterblichen Überreste gelagert wurden. Begleitet wurde das Trio von Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Nach Auffassung der Experten werden die Leichen fachgerecht aufbewahrt. Sie erhoffen sich auch Rückschlüsse auf die Ursache des Absturzes.

Aus den Niederlanden stammen die meisten Opfer


Der Kühlzug war am Montagnachmittag nach niederländischen Medieninformationen abfahrbereit. Den Separatisten wurde vorgeworfen, den Transport verzögert zu haben. Ob der Zug wie vorgesehen nach Charkow fahren würde, war zunächst unklar. In Charkow sammelten sich internationale Experten, um unter niederländischer Führung bei der Identifizierung der Opfer zu helfen, unter ihnen waren auch zwei Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes. Aus den Niederlanden stammen die meisten Opfer.

Von Charkow aus begannen ausländische Luftfahrtexperten damit, die Absturzursache der Boeing genauer zu untersuchen. 14 Fachleute brachte ein Flugzeug des ukrainischen Präsidenten in die Großstadt, wie dessen Pressedienst mitteilte. Dort verschafften sie sich anhand von Fotos einen ersten Überblick über die 300 Kilometer entfernt gelegene Absturzstelle bei Grabowo. Anschließend gaben sie Fachleuten am Trümmerfeld Order, weitere Panoramabilder zu erstellen. Auch Teile des Rumpfes und des Cockpits wurden genauer fotografiert. Die Separatisten kündigten an, die aufgefundenen Flugdatenschreiber und den Stimmenrekorder der Maschine übergeben zu wollen.

Die militanten Gruppen würden lediglich die Rechtmäßigkeit überwachen

Präsident Poroschenko befahl der Armee, die Kampfhandlungen um den Absturzort unverzüglich einzustellen. „Ich habe angeordnet, dass die ukrainischen Militärs in einem Radius von 40 Kilometern vom Ort der Tragödie keine Operationen durchführen und das Feuer nicht eröffnen dürfen“, sagte er in Kiew. Poroschenko sprach sich auch für die Beteiligung russischer Experten an den Untersuchungen aus.

Der Separatistenanführer Andrej Purgin wies Kritik an Behinderungen der Arbeit der Experten zurück. Die militanten Gruppen würden lediglich die „Rechtmäßigkeit“ der Ermittlungen überwachen.

Die moskautreuen Kräfte kämpfen für die Abspaltung von der Ukraine. Die russisch geprägte Region Donbass erkennt die proeuropäische Führung in Kiew nicht an. Bei den Kämpfen starben bisher Hunderte Menschen.

Putin weist Verantwortung von sich

Der Westen wirft Russland vor, schützend die Hand über die Separatisten zu halten und etwa Waffenlieferungen an diese nicht zu unterbinden. Kremlchef Wladimir Putin wies in einer in Moskau veröffentlichten Videobotschaft eine Verantwortung Russlands für den Boeing-Absturz zurück und gab der Ukraine die Schuld dafür.

Nach Angaben des russischen Militärs flog ein Abfangjäger vom Typ Suchoi-25 auf die Boeing zu. „Die Entfernung der Su-25 zur Boeing lag zwischen drei und fünf Kilometern“, sagte Generalleutnant Andrej Kartopolow vom russischen Generalstab. So ein Kampfjet sei mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet, die auf diese Entfernung ein Ziel hundertprozentig zerstören könnten. Die Ukraine solle Auskunft über dieses Flugzeug geben, forderte er.

Auch nach dem Absturz lieferten sich Armee und Separatisten heftige Gefechte. In Donezk stehe nach intensivem Artilleriebeschuss schwarzer Rauch über dem Bahnhof, berichteten örtliche Medien. „Mindestens drei Menschen starben“, sagte ein Behördensprecher. Auch rund um den stillgelegten internationalen Flughafen kam es zu Schusswechseln. In Lugansk kamen bei Kämpfen mindestens zwei Zivilisten ums Leben. Hier seien auch 26 Häuser durch Granaten beschädigt worden, teilte die Stadtverwaltung mit.