Die Radfahrer müssen sich nun, ebenso wie die Autofahrer, links einordnen (oben). Um vom Rotebühlplatz in die Steinstraße zu kommen, müssen sie die Markierung kreuzen. Foto: Ayerle

Die Stadt hat einen neue Radspur vom Wilhelmsplatz über die Hauptstätter Straße in Richtung Torstraße ausgewiesen. Über die bisherige Planung gibt es allerdings schon einige Beschwerden.

S-Mitte - Die neue Radspur fängt oberhalb des Wilhelmsplatzes an. Von der Wilhelmstraße kommend in Richtung Rotebühlplatz fahrend, ordnen sich Autofahrer und Radfahrer nun beide links ein – und zwar auf Höhe der Verkehrsinsel.

Claus Köhnlein, der städtische Fahrradbeauftragte hält das für eine gute, neue Lösung: „Die Radler sind damit immer im Sichtfeld.“ Und: Die Radfahrer seien endlich gleichberechtigt. Sie reihen sich nämlich – so der theoretische Gedanke – ein wie die Autofahrer auch. Natürlich müssten Autofahrer dabei aber eben auf die Radfahrer achten, sagt er und ergänzt noch: „Endlich haben wir es aber tatsächlich so gemacht, wie die Radfahrer auch wirklich fahren.“

Die Naturfreunde finden die neue Lösung „dilettantisch“

Denn bisher hätten die rechtsabbiegenden Autofahrer an der Kreuzung Wilhelmsplatz/ Hauptstätter Straße die Radler oft übersehen. Das könne nun nicht mehr geschehen, die Radfahrer fahren jetzt ja in der Mitte. Das Problem ist: Viele Autofahrer achten nicht auf die Radler, wenn sie sich ebenfalls links einordnen wollen (siehe oberes Foto). Dadurch kommt es häufig zu unübersichtlichen Situationen, weil beide gleichzeitig an der Ampel an der Wilhelmstraße starten. Deshalb gibt es doch Kritik an der neuen Radspur, weil eben Autofahrer die Radler vor allem bei fließendem Verkehr leider nicht so gut im Blick haben.

Peter Pipiorke von der Naturfreunde Radgruppe Stuttgart ärgert sich vor allem über den späteren Abschnitt an der Kreuzung Tor- und Steinstraße: „So etwas Dilettantisches gibt es gar nicht.“ Da könne man nur den Kopf schütteln. Vor allem die Kreuzungssituation vor dem Tagblatt-Turm sei in „Radfahrerkreisen sehr umstritten“. Köhnlein sieht auch dort den Vorteil darin, dass die Radler gleichberechtigt wie die Autos sind – und es vor allem durch die weggefallenden Ampeln leichter haben. Sie müssen nicht mehr warten.

Die Stadt bemüht sich, den Radverkehr zu fördern. Stuttgart hat etwa 180 Kilometer Radwege. Das sind immerhin mehr als doppelt so viele wie noch vor 20 Jahren. Mit dem Ausbau will die Stadt auch dem nachkommen, dass Radfahren bei vielen Stuttgartern ein immer beliebteres Verkehrsmittel ist. Im Doppelhaushalt 2018/ 2019 sind deshalb zusätzliche 7,6 Millionen Euro für den Ausbau des Radwegenetzes eingespeist. Insgesamt enthält der Haushalt damit bis Ende 2019 11,2 Millionen Euro für Investitionen. Dazu kommen etwa fünf Millionen Euro für Personal, dass sich um die Umsetzung der Projekte kümmert. Bisher läuft der Ausbau aber schleppend.

Radler kritisieren Lösung an der Kreuzung Rotebühlplatz und Steinstraße

Umso mehr, so Pipiorke, freuen sich die Radler eigentlich, wenn dann tatsächlich mal etwas für sie getan wird. Gerade deshalb habe man die neue Radspur durchaus begrüßt – und natürlich gehofft, dass dadurch etwas besser werde.

Nun aber sei daraus eine für Radfahrer völlig unbefriedigende Lösung geworden. Radfahrer aus Richtung Tübinger Straße dürften seiner Meinung nach aufgrund der neu angebrachten Markierung nicht mehr unterhalb des Kaufhofes in die Steinstraße fahren, weil dort eine durchgezogene Linie sei. Radfahrer, die sich also an die Straßenverkehrsordnung halten wollen, müssten nach links in den Gegenverkehr ausweichen, sagt Pipiorke.

Für ihn stelle sich deshalb klar die Frage, was die Stadtverwaltung erreichen wolle. Er frage sich da schon bei den neuen Markierungen, ob „der Radfahrer lernen“ solle, „dass er in Stuttgart Fahrbahnmarkierungen nicht beachten muss, sie ohne Bedeutung sind und nur so da sind?“

Rainer Wallisch vom Amt für Stadtplanung sieht das freilich, wie Köhnlein, anders. Er räumt aber ein, dass die derzeitige Situation „ein Zwischenstand“ ist. Durch die Ampelschaltung an den Kreuzungen entstehe zu oft ein längerer Rückstau – wodurch natürlich erst recht am Beginn des Radstreifens Autofahrer und Radler kollidieren. Das liege daran, dass an der Torstraße die Busse eine Bevorrechtigung hätten. „Diese Signaltechnik müssen wir noch anpassen“, sagt Wallisch. Wann genau das sein wird, kann er noch nicht sagen. Auch die Markierungen werde man sich noch einmal anschauen „Manches ist vielleicht wirklich noch nicht optimal angepasst.“