Auch nach der Fertigstellung des neuen Radwegs entlang der Waiblinger Straße stehen viele Menschen der neuen Verkehrsführung skeptisch gegenüber. Anwohner klagen über Stau auf der Hauptstraße und Schleichverkehr in der Nebenstraßen.
Bad Cannstatt - Freitagnachmittag, 16.30 Uhr. Während die einen Feierabend machen, erledigen die anderen die Wocheneinkäufe, wieder andere starten zum Wochenendausflug. Was auch ansteht: Auf Stuttgarts Straßen herrscht Hochbetrieb. Auch auf der Waiblinger Straße kommt der Verkehr an diesem Freitagnachmittag stockend voran. Besser wäre dran, wer mit dem Fahrrad unterwegs wäre: Auf dem neuen Fahrradweg ist freie Fahrt angesagt. Während einer halben Stunde radeln ein Mann und eine Frau in Richtung Fellbach, ebenso viele Radfahrer nutzen in dieser Zeit den Gehweg. Stattdessen zieht ein Motorradfahrer auf dem Radstreifen am stockenden Verkehr vorbei.
Die beobachtete Szene ist eine Momentaufnahme, allerdings eine, die zahlreiche Nutzer der Facebook-Seite für den Stadtbezirk von unserer Redaktion ähnlich erlebt haben. Die überwiegende Mehrheit ist vom neuen Radweg auch nach dessen Fertigstellung genervt: Viele bezeichnen den Weg als lächerlich, überflüssig und vor allem zu teuer. „Es ist morgens und abends kein Vergnügen, als Autofahrer die Nürnberger Straße zu nutzen“, schreibt Monika Kleinmaier. Sie beobachte den Weg seit Wochen täglich und sehe darauf maximal einen Radfahrer pro Tag, dafür aber umso mehr Stau. Viele halten den Weg für unattraktiv: „Es gibt viel schönere und grüne Möglichkeiten, mit dem Rad von Fellbach nach Cannstatt zu kommen und andersrum“, schreibt Jörg Fried. Bemängelt wird von vielen Usern, dass nach wie vor viele Radler den Gehweg nutzten und stattdessen Autos den Radstreifen: „Die Radspur ist so breit, dass manche Autofahrer sie im Bereich der Nürnberger Straße als Rechtsabbiegerspur nutzen“, beobachtet Matthias Sergej Wagners. Noch mehr versuchten, den Stau auf der Waiblinger und der Nürnberger Straße zu umfahren, sagt Miriam Seeger: „Viele Autofahrer weichen auf die Nebenstraßen aus, weshalb auch die anderen Strecken komplett überlastet sind. Die Autofahrer werden nicht zum Umdenken, sondern zum außen herum fahren gebracht.“
Anwohner beklagen Schleichverkehr in Nebenstraßen
Jochen Wölfle ist gegen den zunehmenden Schleichverkehr, den er in der Theodor-Veiel-Straße beobachtet, aktiv geworden: In einem Schreiben an den Oberbürgermeister, den Bezirksvorsteher von Bad Cannstatt und das Amt für öffentliche Ordnung schildert er die Situation, die ihm Sorgen bereitet: „Seit es den Radweg gibt, nutzen nicht mehr nur Autos, sondern auch Lastwagen die Theodor-Veiel-Straße als Schleichweg“, sagt Wölfle. Außerdem halte sich kaum einer an das Tempolimit von 30 Stundenkilometern. „In unserer Straße gibt es einen Kindergarten und viele Schulkinder, um deren Sicherheit ich mich sorge“, so Wölfle.
Eine erste Erleichterung könnte es für Anwohner nun geben: „In stadtauswärtiger Richtung auf Höhe der Nürnberger/Remstalstraße haben wir festgestellt, dass die Grünphase für Autos zu kurz ist“, sagt Reinhard Unkhoff vom Tiefbauamt. Die Ampelschaltung sei verändert worden, Unkhoff selbst beobachtete bei einem Termin vor Ort eine Verbesserung: „Der Stau ging nicht mehr über den Augsburger Platz hinaus.“ Stadteinwärts seien ihm bislang keine besonderen Auffälligkeiten bekannt.
Erhebung und Analyse im Frühjahr
Überprüfen und gegebenenfalls nachjustieren lautet auch die Devise des Stadtplanungsamts: „Zunächst beobachten wir die Situation“, sagt die Stadtplanerin Susanne Scherz. Dazu gehöre, die Reaktionen der Anwohner zu sammeln und auszuwerten: „Naturgemäß erreicht uns mehr Kritik als Lob.“ Beklagt werde vor allem mehr Verkehr in den Nebenstraßen und längere Fahrzeiten. Es gebe aber keine besondere Häufung von Beschwerden und auch positive Reaktionen von Anwohnern, die sich über weniger Verkehrslärm freuten. Vereinzelt haben uns auch auf Facebook positive Reaktionen erreicht: Florian Nummer eins hält den Radweg für „eine gute Sache“, ein anderer User freut sich, dass er als Fußgänger nun leichter die Straße überqueren kann.
Insgesamt sinke die Zahl der Beschwerden, stellen Stadtplanerin Susanne Scherz und der Cannstatter Bezirksvorsteher Thomas Jakob fest. Eine genaue Erhebung und Analyse der Verkehrsmengen und der Zahl der Fahrradfahrer soll es im Frühjahr geben: „Eine neue Verkehrssituation muss sich immer auch erst einpendeln“, erklärt Susanne Scherz, warum mit der Erhebung solange gewartet werde.