Nur Fliegen ist schöner. Der neue Radweg auf dem Körschtalviadukt eröffnet den Radfahrer ganz neue Perspektiven. Foto: Ines Rudel

Nicht nur die Radfahrer, die nun ohne einen Tropfen Schweiß zu vergießen von Neuhausen nach Ostfildern radlen können, haben lange auf die gute Nachricht gewartet. Auch die Autofahrer dürfen aufatmen. Die Baustelle auf der Brücke ist abgebaut.

Ostfildern/Neuhausen - Eigentlich war der Radweg auf der Körschtalbrücke zwischen Neuhausen und Ostfildern-Nellingen schon zur Eröffnung zu eng. Ein knappes Dutzend Würdenträger drängte sich, mit Scheren bewaffnet, auf dem schmalen Asphaltband, um das in Landesfarben gehaltene Band zu durchschneiden. Fest steht nach Ansicht der von dem baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann und dem Stuttgarter Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer (beide Bündnis 90/Die Grünen) angeführten Brückenfahrradwegeinweihungsprominenz aber auch: Der Auftrieb ist dem Anlass durchaus angemessen gewesen.

Denn seit dem Dienstag können die Radfahrer auf dem Weg zwischen den Fildern und dem Neckartal bei Esslingen oben bleiben. Ein mit den beiden Auffahrtsrampen im Süden und Norden rund 820 Meter langer, topfebener Radweg auf der Autobrücke ersetzt die schweißtreibende Berg-und-Talfahrt durch das an dieser Stelle tief eingeschnittene Körschtal.

Ende der grenzenlosen Freiheit

Die Landesstraße 1202 zwischen der A-8-Anschlussstelle Esslingen und der B 10 bei Esslingen war samt der zugehörigen, bis zu 55 Meter hohen Körschtalbrücke im Jahr 1994 für den Verkehr freigegeben worden. Nachdem es in der Anfangszeit keinerlei Einschränkungen gegeben hatte, war es für die Fahrradfahrer eines Tages mit der grenzenlosen Freiheit unvermittelt vorbei. Ihre Fahrt über die Brücke wurde – unter Hinweis auf Sicherheitsgründe – von zwei ohne Vorankündigung angebrachten Verbotsschildern ausgebremst.

Jetzt, Jahrzehnte später, ist der Weg wieder frei, und nicht nur für die Radfahrer, sondern auch für die Autofahrer war der trübe Dezember-Dienstag ein Freudentag. Weil durch die Arbeiten am Radweg auch Schäden am Überbaubeton der Brücke ans Tageslicht gekommen waren und es zu schlechter Letzt auch noch einen Engpass bei der Lieferung der Leitplanken gegeben hatte, haben die Bauarbeiten auf dem Körschtalviadukt von Ende Juli bis Mitte Dezember gedauert – und waren nicht, wie geplant, ausschließlich in den verkehrsarmen Sommerferien über die Bühne gegangen. In der mehrmonatigen Bauphase war nicht nur der Verkehr auf der Landesstraße, der nach wie vor wichtigsten Verkehrsachse zwischen den Fildern und dem Neckartal, ausgebremst. Auch die Anwohner im benachbarten Nellingen stöhnten hörbar unter der Verkehrslawine, die sich auf der Umleitungsstrecke wochenlang durch den Ort gewälzt hat.

Das Gesamtpaket hat 2,5 Millionen Euro gekostet

„Über die Brücke fahren täglich rund 25 000 Autos. Das ist mehr als auf mancher Autobahn im Osten“, hat der Verkehrsminister Winfried Hermann anlässlich der Einweihung des Radwegs um Verständnis geworben. Schon allein am finanziellen Aufwand in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro lasse sich ablesen, welche Dimensionen das Vorhaben gehabt habe. Während den Autos und Lastwagen nun noch zwei je auf 3,75 Meter geschrumpfte Fahrstreifen zur Verfügung stehen, müssen sich die Radfahrer mit einem Streifen von 2,75 Metern Breite begnügen.

Die neue Verbindung ist im Süden und im Norden an das bestehende Radwegenetz auf den Fildern angeschlossen. Geht es nach dem Verkehrsminister, dann sollte der vor allem für die Alltagsradler und Berufspendler wichtige Lückenschluss sich auch positiv auf die in den Hauptverkehrszeiten regelmäßig überlastete Autostraße auswirken. Hermanns Worten zufolge gibt die Landesregierung derzeit jedes Jahr rund 13 Millionen Euro aus, um den Radlern im Land den Weg zu ebnen.

„Durch den Radweg wird die Gesamtkapazität der Brücke erheblich erhöht“, sagt auch Gudrun Zühlke, die Vorsitzende des Landesverbands des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Die oberste Fahrrad-Lobbyistin im Land nutzte die Gelegenheit, um an die Verkehrsingenieure und an die Entscheider in den Amtsstuben zu appellieren, alle zum Bau oder zur Sanierung im Land anstehende Brücken auf ihre Tauglichkeit für Fahrräder zu überprüfen, so unter anderem auch das Murrtal-Viadukt bei Backnang.